d’un male nasce spesso un bene – anche a verona

Am Mittwoch, dem 16. Juni 2021, startete endgültig eine neue Ära in der Stadt Verona, genauer gesagt: im Nobelhotel Due Torri. Steht man auf der Dachterrasse der luxuriösen Herberge, offenbart sich ein wunderbarer Blick auf die Altstadt mitsamt der mittelalterlichen Gemäuer, die zu Füßen liegen scheinen – auch die so auffallend grüne Etsch, welche die Stadt wie eine Schlange durchzieht und die Mittelalter und Neuzeit trennt, ist deutlich zu erblicken; ebenso die Hügel, welche die Stadt mit ihren charakteristischen Zypressen nahezu malerisch einrahmen.

Wunderschöne Rahmenbedingungen: ein perfektes Setup, für ein Datum, von welchem noch nicht überliefert ist, ob es den Fans von Hellas Verona positiv oder negativ in Erinnerung bleiben wird.

Für die tifosi der Gialloblù beginnt, völlig unabhängig des letztendlichen Resultats, jedenfalls eine neue Zeitrechnung. Es ist die Zeitrechnung nach Ivan Juric – mit einem ganz anderen Typ Mensch, einem ganz anderen Typ Trainer, der zukünftig die Scaligeri im Bentegodi und sämtlichen anderen italienischen Stadien an der Seitenlinie begleiten wird.

Eusebio Di Francesco heißt der neue Mann, der neue Veroneser Übungsleiter. Ein klangvoller Name, Begründer des heutigen Erfolgs in Sassuolo; einer der Männer, der im Jahre 2001 Teil jener Mannschaft war, welche sämtliche Träume der Roma-tifosi wahr werden ließ und den Scudetto in die „Ewige Stadt“ holen konnte – ganze 17 Jahre später ließ er die Römer erneut träumen, diesmal als Trainer, führte die Giallorossi bis ins Champions League-Halbfinale sowie auf den dritten Platz der Serie A: die beste Platzierung der letzten Jahre. DiFra, so der Spitzname des gebürtigen abbruzzese, schien im Trainer-Olymp angekommen zu sein. Doch das süße Versprechen der obersten Riege, es wurde nach und nach immer bitterer und ließ die Roma-Ära mit einer wenig erfolgreichen, weiteren Saison letztendlich mit einem sauren Nachgeschmack enden.

Der Trainer aus Pescara schien aus den Fehlern lernen zu können. Er heuerte bei Sampdoria an – und wurde nach nur wenigen Wochen wieder von dieser Verantwortung entbunden. Ähnliches Spiel dann in Cagliari im Sommer 2020: Mit großen Hoffnungen und einem – auf dem Papier – fulminanten Kader starteten die Sarden in die Saison, wenig erfolgreich. DiFra wechselte System und Spieler wie wild, der Erfolg würde sich dennoch nicht einstellen.

Dementsprechende Häme bekamen die Veroneser an einigen Stellen zu spüren. Der sogenannte Primacy-Recency-Effekt, in der Psychologie ein bekanntes Phänomen: Der erste und der letzte Eindruck bestimmen die Wahrnehmung eines Menschen. Im Falle von Di Francesco kann man hierbei eher nur den Recency-Effekt miteinbeziehen, zu verbrannt schien er für manche Beteiligte in der italienischen Fußballlandschaft, die Jobs in Cagliari und Genua übertrafen sämtliche Erfolge in Sassuolo und Rom. Geht man rein von der Liste an Erfolgen aus: ein Trainer aus dem Regal eines Di Francesco, für Verona ist das beinahe absurd. Noch vor nicht allzu langer Zeit hat man in ganz anderen Becken gefischt, schon mit Juric war man ein unkalkulierbares Risiko eingegangen, das sich letztendlich auszahlte – die Hoffnung ist nun auch bei Di Francesco da. Vor allem ist die Hoffnung da, dass man endlich die dominante Spielart in Tore ummünzt. Und so auch im hoffentlich vollen Bentegodi wieder für Ekstase sorgen kann.

Ein Tor, ein Treffer vor der Veroneser curva sud, ein Gefühl, welches bisher allen Neuzugängen seit Sommer 2020 verwehrt geblieben war. Böse Zungen würden nun behaupten, dies sei kein Wunder, bei der teilweise katastrophalen Veroneser Chancenverwertung – tatsächlich liegt es in jenem Falle allerdings eher am pandemiebedingten Zuschauerausschluss.

Einer, der versucht hatte, dieser Torlethargie entgegenzuwirken, ist Sportdirektor Tony D’Amico. Gebürtig aus der Region Pescara, kickte D’Amico hauptsächlich in unteren italienischen Ligen, nachdem er mit 34 seine Karriere beendet hatte, wurde er mit gerade einmal 36 von Hellas-Präsident Maurizio Setti zum Leiter der Scouting-Abteilung ernannt. Durchaus überraschend, doch die Intention war klar: Setti wollte auch hier sein Mitspracherecht haben. D’Amico lieferte im Rahmen des Möglichen dennoch ab, stieg zwei Jahre später zum Sportdirektor auf – und formte mit klugen Transfers und dem gewissen Verhandlungsgeschick aus dem Nichts ein Hellas Verona, das zwei Mal hintereinander in der oberen Tabellenhälfte landete, auch wenn die Torlethargie nicht wirklich bezwungen werden konnte.

Einem der absoluten Glückstreffer von D‘Amico blieb jenes Gefühl des Toreschießens ebenfalls verwehrt: Innenverteidiger Giangiacomo Magnani. Der italienische Innenverteidiger hatte in der Vorsaison 19-20 noch mit Verletzungspech und Tribünenplätzen zu kämpfen, kam im Dress von Brescia und Stammklub Sassuolo auf gerade einmal zehn kurze Einsätze. Entsprechend gering die Erwartungen an den aus der Provinz Reggio Emilia stammenden Verteidiger, der sich in der Folge mit teilweise herausragenden Leistungen allerdings zu einer absoluten Stütze im Team entwickelte, zwischenzeitlich reihenweise die Crème de la Crème der Serie A-Sturmreihen erblassen ließ. Und der mit seinen Leistungen, seiner Art, schnell ein festes Band mit den Fans schaffen konnte – obwohl jene den Abwehrhünen noch nicht mal eine einzige Sekunde im Bentegodi bewundern konnten.  Allgemein blieben dem sympathischen Spieler, der bereits Mitte des vergangenen Jahrzehnts für eine Saison im Dress des Lokalrivalen Virtus Verona kickte, Torerfolge in Gialloblù bis dato verwehrt. „Per fare un gol aspetto che i tifosi tornino allo stadio. Mi piacerebbe farlo sotto la curva“ – „Ich warte darauf, dass die Fans ins Stadion zurückkehren, um ein Tor zu erzielen. Ich würde es gerne „unter“ der curva schaffen.“: Eine Aussage, die Magnani gegenüber der im Trainingslager in Trentino anwesenden Lokalpresse tätigte.

Und Worte, die vielleicht diese Art von Spielerverpflichtungen, die Tony D’Amico wiederholt tätigen konnte, nochmals etwas deutlicher machen. Klar: Floskeln sind heutzutage weitverbreitet, nicht nur im italienischen Profifußball – doch der gewisse, kleine Unterschied, das ist jener der „besonderen Mentalität“. Nicht nur das Stigma der „gescheiterten, nicht Potenzial ausschöpfenden Spieler“ kennzeichnete die Veroneser Neuzugänge der Ära Juric/D’Amico, viel mehr konnte man größtenteils auch Rückschlüsse auf die mentale Stärke, den unbedingten Willen der Spieler ziehen. Sei es ein Adrien Tamèze, ein Sofyan Amrabat oder auch ein Matteo Pessina – letzterer zeigte diese Attribute eindrucksvoll im Rahmen der Europameisterschaft 2020. Ein individueller Erfolg für Pessina, den es ohne die Weitsicht und den Mut von D’Amico und Juric so nicht gegeben hätte.

Neuzugang Martin Hongla (Antwerpen) scheint nach den ersten Trainingseinheiten und Testspielminuten in eine ähnliche Kerbe zu schlagen, auch andere gehandelte Namen scheinen die gleichen Attribute mitzubringen, die sich in den letzten Monaten wie ein roter Faden durch die Charakteristiken der Veroneser Neuzugänge gezogen haben.

So unterschiedlich Eusebio Di Francesco und Ivan Juric auf den ersten, vielleicht auch den zweiten Blick sein mögen – ein Merkmal, eine Gemeinsamkeit, sticht allemal heraus: Der Hang, la gioventù – der Jugend – durchaus die Chancen auf ungeahnte Spielzeit zu ermöglichen.

DiFra-Sassuolo ist ein prägnantes Beispiel der letzten Jahrzehnte für diese „Jugend forscht-Modelle“, auch Juric‘ Bilanz in Verona kann sich in dieser Hinsicht durchaus sehen lassen: Lovato, Ilic, Pandur, Lucas Felippe, Bruno Amione, Tupta – Juric ermöglichte einigen Akteuren das „Luftschnappen auf höchstem Niveau“. Einer davon Destiny Udogie. Und das Schicksal jenes Udogie wurde in diesem Sommer 2021 beinahe zu einem Politikum zwischen Präsident Setti und den Veroneser tifosi.

Udogie, Sohn nigerianischer Eltern, geboren und aufgewachsen in Verona, hatte sämtliche Jugendjahrgänge der Scaligeri durchlaufen und war bereits fester Bestandteil der italienischen U21. Ergo: Ein Spieler, den man unbedingt halten muss – keine zwei Meinungen im Umfeld der Mastini.

Nach Saisonende kamen erste Gerüchte auf: Basilea, so der italienische Name von Basel, solle interessiert sein – Atalanta schien dann ein heißer Kandidat zu sein, bevor es Udogie in Richtung Udine verschlug. Der Grund für seinen Abgang? – Setti hatte schlicht und ergreifend ein weiteres Mal verpennt, Udogie im Jahr zuvor einen längeren Vertrag als bis Saisonende 2022 unterschreiben zu lassen. Wie so oft zuvor war dieses Thema „Verträge“ ein weiteres Male ein rotes Tuch für die Veroneser Anhängerschaft und leider ein Aufgabengebiet, was nicht in D’Amicos Zuständigkeitsbereich fällt – ein ums andere Mal hatte Setti in seiner neunjährigen Regentschaft in diesem Kontext für Unruhe gesorgt. Auch in der Causa Udogie: Ein echtes Veroneser Eigengewächs also, einfach so verscherbelt, aufgrund eines zu kurzen Vertrages – und was bitte musste man für eine katastrophale Perspektive bieten, dass sich der Veroneser tatsächlich für einen Wechsel zu Udinese entschied. Und damit zu jenem Udinese, dass in den Tagen zuvor seine zwei wichtigsten und besten Spieler (De Paul, Musso) verloren hatte – da war sie wieder, die beste Freundin Hellas Veronas, die stets treue Begleiterin seit der Vereinsgründung im liceo maffei im Jahre 1903: die Unruhe. 

Diese Unruhe, zu Italienisch in diesem Falle bestens beschrieben durch die schönen Wörtchen manicomio oder auch confusione, ist seit Settis Übernahme quasi ein Dauerzustand, der dem entfernten Beobachter der Veroneser angesichts des wiederholten Klassenerhalts tendenziell eher absurd erscheinen vermag.

Dass dieser Gemütszustand insbesondere in jenem Sommer 2021 beinahe täglich in Stadt, Umfeld und sozialen Medien präsent war – das war allerdings alles, nur kein Zufall: und das aus mehreren Gründen.

Der Zusammenhang mag zunächst etwas Verwirrung stiften, doch der erste Aufruhr im Veroneser Universum, der sich auch außerhalb der curva sud in Missfallen und Unzufriedenheit gegenüber Setti entlud, nahm seinen zarten Anfang im Sommer 2007.
Der junge Brasilianer Jorge Luiz Frello Filho sollte in jenem Sommer aus der südbrasilianischen Stadt Imbituba ins ferne Italien ziehen. Zarte 15 Jahre alt war der junge Mann zu diesem Zeitpunkt, fußballbegeistert, sein Idol die rumänische Legende Gheorghe Hagi, was dazu führte, dass er von seinen Freunden ausschließlich Haginho gerufen wurde.

Mitsamt seiner Familie zog der junge Spieler nach Italien, in den Norden, ins tiefste Veneto. Schon sein Urgroßvater stammte von hier, nördlich von Vicenza geboren und aufgewachsen, emigrierte dieser in jungen Jahren nach Brasilien – ein nicht unwesentlicher Faktor für den weiteren Verlauf dieser Geschichte.
Bereits kurz nach seinem Umzug – der sogenannten „Familienrückkehr nach Italien“, wenn man so möchte – wurde der junge Brasilianer in die Jugendmannschaft des größten und wichtigsten Vereins der Region berufen: in jene von Hellas Verona. Und hier gedieh der junge Spieler, entwickelte sich nahezu täglich weiter, acht Jahre würde er letztendlich hier in Jugend und Profiteam verbringen – schnell wurde aus Haginho der weltbekannte und begehrte Jorginho, der edelste Spieler, den Verona seit mehr als zwei Jahrzehnten und dem sensationellen Scudetto 1985 gesehen hatte.

Mit zarten 19 Jahren gab Jorginho sein Profidebüt gegen Sassuolo und war fortan eine wichtige Stütze der Gialloblù. Für jeden halbwegs calcio-affinen Menschen in Italien waren Klasse und Potenzial des jungen Veronesers ersichtlich. Hellas Verona war dabei, einen hauseigenen Rohdiamanten in einen wahren fertigen, geschliffenen Diamanten zu veredeln. Und die ganze europäische Fußballwelt schaute dabei zu. Bis zum 18.01.2014, einem tristen Samstag im Norden Italiens und einem Datum, welches Setti noch heute vorgehalten wird.

Zu jenem Zeitpunkt der Saison 2013-14 stand Hellas Verona auf einem fulminanten fünften Platz, man spielte die beste Saison der Ära Setti, die beste Saison seit dem Niedergang in die Dritt- und gar fast Viertklassigkeit. An diesem Tag allerdings wird der Grundstein gelegt für den nahenden, zu erwartenden Niedergang der Veroneser, zumindest in den Augen vieler Fans.

Jorginho wird verkauft – zu einem Zeitpunkt, welcher den stolzen Skaligern die Haare grau werden ließ. Verona hatte zu genau diesem Zeitpunkt die riesige, fast einmalige Chance auf die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb – doch Setti ließ diese einzigartige Chance verstreichen: Er ließ sie links liegen, noch „linker“ wie die Autobahn A22 zwischen Trento und Verona den Lago di Garda – und verscherbelte den bereits gut geschliffenen Diamanten, das Veroneser Tafelsilber und Herzstück, den grandiosen Jorginho zu einem Spottpreis nach Neapel. Ausgerechnet Napoli also, der so ungeliebte Erzrivale der Hellas-Fans, der für den Süden steht, den man so verachtet – und ausgerechnet jenes Neapel also, was sich nur zwei Plätze vor Verona ebenfalls voll im Kampf um die internationalen Ränge befand.

„Schön und gut“, mag der allgemeine Beobachter denken, „doch was hat das mit einem folgenden Niedergang zu tun?“ – Nun gut, Verona verpasste in jenem Jahr selbst eine einstellige Platzierung, Platz 10 war eines Aufsteigers dennoch absolut würdig. Doch: Die publik-gewordenen Zahlen und Rahmenbedingungen des Jorginho-Deals sorgten über Monate für Unruhe und Unverständnis im Umfeld der Gialloblù: Neun Millionen Euro – ein wirkliches Schnäppchen für die Süditaliener, eine wirkliche Katastrophe für die Norditaliener; Unglauben – ja, nahezu Entsetzen – war in Verona die Folge – Setti hatte nicht nur die riesige Chance auf einmalige Europapokalabende im Bentegodi zu Nichte gemacht, nein; er hatte auch die riesige Chance, den Verein wenigstens mit einer hübschen Summe zu entschädigen und konkurrenzfähiger zu machen, beinahe ad absurdum führend schlicht und ergreifend vergeben. Nur wenige Monate später folgte, was folgen musste: Verona trat den bitteren Weg in die Serie B an. Wieder einmal, abgeschlagen am Tabellenende.

Setti hingegen scheint lernresistent zu sein, noch heute sind seine Verkaufstaktiken teilweise als sehr fragwürdig oder schlicht und ergreifend schlecht oder dumm zu bezeichnen; was sich auch zurück im Sommer 2021 eindrucksvoll erneut zeigt: Der Jorginho-Stachel sitzt auch sieben Jahre später noch immer sehr tief in den Veroneser Herzen; als bestimmender Akteur beim Chelsea FC und der Squadra Azzurra holte der verlorene Sohn der Stadt den Champions League-Titel sowie die Europameisterschaft, war somit beinahe omnipräsent – und erinnerte die Scaligeri täglich an das Versagen des Präsidenten.

Für jenen Präsidenten war es ohnehin ein schwer zu verarbeitender Sommer: Das Hickhack um Juric, die Aussagen von Juric, die Unruhe im Umfeld des Vereins – und zu allem Überfluss schlug noch die Guardia di Finanza aus Bologna gnadenlos zu; kurz nach Saisonende 20-21 folgten so Durchsuchungen bei diversen sich in Settis Besitz befindlichen Unternehmen, gegen den ungeliebten Präsidenten wird heute ermittelt: Anklagepunkte sind hierbei Unterschlagung und Geldwäsche – doch das wirklich schockierende war die Tatsache, dass Setti sich zur Lebenserhaltung seiner anderen Unternehmen offenbar ganz einfach am einzigen gewinnbringenden Unternehmen seines Portfolios bediente: einem Unternehmen namens Hellas Verona Football Club. Setti vattene!

Ereignisse und Erkenntnisse, die Settis ohnehin geringen Werten auf der untersten Ebene der Beliebtheitsskala nur weiter Schaden zufügten. Verständlich und nachvollziehbar – genau so wie die Reaktion der Veroneser Curva Sud im Rahmen des Trainingslagers in Trentino.

Im Rahmen eines knackigen Flugblatts wurde dieses Gebaren nochmals ausdrücklich hinterfragt, Antworten wurden gefordert und zudem die Aussage getroffen, dass man weiterhin ganz genau hinschauen werde, was denn der ehrenwerte Präsident so treibt.

Man kann davon ausgehen, dass die Rückkehr des Serie A-Spielbetriebs vor eine volle curva sud an Emotionalität und, durch die Ereignisse der vergangenen Monate, auch Hitzigkeit eine für alle Beteiligten einmalige, unvergessliche Erfahrung wird. Sowieso natürlich auch für die Neuzugänge der letzten zwölf Monate, die jene Erfahrungen bisher leider missen mussten.

Setti hingegen wird erahnen können, was die ersten Spiele mit Publikum für ihn bringen werden.

Doch auch die sportliche Ausgangssituation seit jenem, zu Beginn angesprochenen 16. Juni 2021 ist eine sehr spannende Angelegenheit. Das neue Duo der sportlichen Leitung, bestehend aus Trainer Eusebio Di Francesco und Sportdirektor Tony D’Amico, hat einen für Veroneser Verhältnisse schier unbezwingbaren Berg vor sich, vergleichbar nicht etwa mit dem Hügel San Pietro, der die Stadt Verona überragt – nein, vielmehr ist es ein Berg der Kategorie Mont Blanc, wenn nicht gleich K2 oder Mount Everest; nennen wir ihn den Monte Salvezza, den Berg des Klassenerhalts, wenn man so will.

Nach den guten Platzierungen auf der „linken“ Seite der Tabelle in den vergangenen beiden Jahren (Platz 9 und 10), vermag dies den geneigten Beobachter erneut etwas zu verwundern, doch der Gedanke liegt auf der Hand: Seit den 80er Jahren, sprich seit der legendären Mannschaft um Erfolgscoach Osvaldo Bagnoli, den Mago della Bovisa, ist es dem Fußballverein Hellas Verona nicht mehr gelungen, dreimal hintereinander die Klasse in der Serie A zu halten – eine vierte Saison hintereinander, in Form der Saison 2022-23, wäre somit ein riesiger Baustein, gar ein wichtiger Meilenstein, auf dem Wege zur endgültigen und dauerhaften (Wieder-) Etablierung in der italienischen Beletage, auch mit dem neuen Stadion- und anderen Infrastrukturprojekten im Hinterkopf.

Entsprechend fielen auch die Aussagen von Eusebio Di Francesco in den ersten Wochen nach jener Vorstellung im Due Torri aus: „L’obiettivo principale è la salvezza. L’Hellas in questi anni ha avuto grande coraggio, lo voglio mentere.“ – „Das Hauptziel ist der Klassenerhalt. Hellas hat in den letzten Jahren großen Mut bewiesen, diesen möchte ich beibehalten.“

Sicher, die üblichen Aussagen eines neuen Trainers. Doch dahinter steckt ein genauer Plan von D’Amico, der die Trainerauswahl höchstpersönlich übernahm. Verschiedene Namen schwirrten durch die Veroneser Presse: Dionisi, Italiano, gar Tudor, Giampaolo und D’Aversa – im Endeffekt konzentrierte sich D’Amico aber voll und ganz auf einen Akteur: Eusebio Di Francesco.

Schon Anfang Mai, als das Abgangsgerücht um Juric noch heiße Luft zu sein schien, fuhr D’Amico nach Pescara, traf sich mit DiFra in deren Heimatstadt. Der war sofort vom Projekt Hellas Verona überzeugt, sowohl von der geschaffenen Basis als auch von den Möglichkeiten, Plänen und potenziellen Früchten der Zusammenarbeit mit dem „Genie“ D’Amico.

Di Francesco pflichtete sogar bei, zukünftig ebenfalls mit einer Dreierkette spielen zu lassen, dennoch sind einige taktische Änderungen zu erwarten. Die Veroneser Verantwortlichen erhoffen und versprechen sich insbesondere dominantere und ertragreichere Spiele gegen die kleineren Teams der Liga; Punkte aus Spielen, welche die Juric-Teams zu oft liegen ließen.

Und auch der angesprochene Faktor der gioventù spielte bei der Wahl für DiFra eine entscheidende Rolle: Der frühere Roma-Coach versteht es wie nur wenige andere, Spieler von Jugend- auf Profiniveau zu führen: angesichts der erfolgreichen Primavera-Mannschaft von Coach Nicola Corrent, die den Aufstieg in die höchste Spielklasse schaffe, ist DiFra in jenem Kontext eine logische Berufung.

Neben dem argentinischen Toptalent Bruno Amione werden insbesondere Matteo Cancellieri große Chancen auf Spielzeit unter DiFra zugerechnet. Cancellieri, zarte 19 Jahre, spielte eine herausragende Saison für die Veroneser Primavera. Als Verhandlungsmasse im Rahmen des Kumbulla-Deals mit der AS Roma nach Verona gekommen, hatte der einst als Megatalent geltende Römer, auch diversen Verletzungen geschuldet, über einen längeren Zeitraum stagniert –  Corrent ließ ihn aus dieser Lethargie erwachen, nun liegt es an Di Francesco, einmal mehr einen jungen Offensivspieler zu veredeln. In Verona träumt man so von einem Werdegang à la Domenico Berardi in Sassuolo unter Di Francesco, doch diese Träumerei scheint allemal noch zu verfrüht zu sein…

Trotz der widrigen Begleiterscheinungen ist allerdings die große Lust auf die neue Saison wie immer da. Hoffentlich vor vollen Kurven und in vollen Stadien, wird es Di Francesco möglich sein, Hellas Verona an die Leistungen seines Sassuolos oder seiner Roma im ersten Jahr anknüpfen zu lassen. Er wäre nicht der erste Veroneser Trainer in den vergangenen Monaten, dessen letzte Chance in der Serie A Hellas Verona zu sein schien und der dann seine Leistungsfähigkeit eindrucksvoll zur Schau stellen kann.

Ein Erfolg, der sicherlich wieder einmal mehr dem so gelobten Tony D’Amico zugesprochen würde. Und der auch im Nachhinein, vielleicht noch Jahre später, diesen 16. Juni 2021 in einem ganz besonderen, golden-gelb-blauen Licht erschienen ließe.

Butei, die Hoffnung ist da: d’un male nasce spesso un bene – anche a verona. Per sempre Gialloblù.

tifoso del verona