il nome giusto al posto giusto
Wir machen einen kleinen Zeitsprung. Nachdem wir die Vereinsgründung und anschließend die Ursprünge der Rivalität mit Vicenza geklärt haben; nachdem Verona nun, endlich, sechs Jahre nach der Vereinsgründung, am ersten offiziellen Turnier teilnehmen durfte und man letztendlich sogar nach acht Jahren des Bestehens den ersten Sieg gegen den Erzrivalen in Verona feiern konnte – müssen wir quasi nochmal zurück auf Anfang, ins Jahr 1903.
Nach der Gründung der Associazione Calcio Hellas stoßen auch andere Fußballvereine und Spielgemeinschaften in Verona empor. Fußball wird organisierter und beliebter, auch abseits des regulären Ligabetriebs. Doch nach einigen Jahren gibt es für den neuartigen Sport ein abruptes Ende.
Nur zwei Jahre nachdem erstmals süditalienische Mannschaften an der Prima Categoria teilnehmen dürfen, – wobei die Laziali im ersten landesweiten Finale in Genoa mit 6-0 gen Süden geschickt werden, richtig: natürlich von Pro Vercelli – bricht während der Saison 1914-15 la prima guerra mondiale aus, der Erste Weltkrieg. Italien tritt diesem am 23. Mai 1915 bei, mit weitreichenden Folgen, nicht nur für die heutigen Grenzgebiete im Osten sowie Norden des Landes.
Der Eintritt erfolgt zu einem Zeitpunkt, als sich die Spielzeit 1914-15 der Prima Categoria bereits im fortgeschrittenen Stadium befindet. Inzwischen gibt es allein in Norditalien sechs Regionalgruppen, im Rahmen derer die Teilnehmer der ersten nationalen Runde in zehn Spieltagen ausgespielt werden.
Es ist ein kompliziertes System, dass für ein Gleichgewicht zwischen den kleineren und den größeren Vereinen sorgen soll, wobei der Norden auf höchster Ebene – wie auch noch heute – sowohl quantitativ als auch qualitativ weitaus prominenter vertreten ist, als die Vereine der Mitte und des Süden.
Als Italien dem Ersten Weltkrieg beitritt, wird das neue, so liebgewonnene Spiel der Italiener nicht nur zur Nebensache, sondern die Saison wird folgerichtig abgebrochen – Genoa wird zum Meister erklärt, der Ligabetrieb in der Folge verboten.
Für die Mannschaften hat das gravierende Folgen. Die Ungleichheit ist nach Kriegsende noch größer als zuvor, eine vor dem Krieg geplante Teilung der Nationalligen in Süd und Nord ist vom Tisch. In der Saison 1919-20, der ersten nach Kriegsende, herrscht absolutes Chaos mit einem absurden Leistungsgefälle – insgesamt nehmen 48 (!) Mannschaften an der Meisterschaft teil. Eine Anarchie, eine nicht vorhandene Struktur, die man heute nur noch vom italienischen Serie C-Play-Off-System kennt.
Auch für die Associazione Calcio Hellas hat der vorangegangene Krieg spürbare Auswirkungen. Schon vor Kriegsausbruch war man im Rahmen von Heimspielen auf das Wohlwollen anderer Veroneser Teams und Sportgemeinschaften angewiesen, man hatte auch nach Kriegsende noch immer keine feste Spielstätte. Neben Hellas gibt es in Verona zu jener Zeit insbesondere die Turngemeinschaft Bentegodi, die inzwischen ebenfalls relativ prominent Fußball spielt. Die Istituzione comunale Marcantonio Bentegodi, so der volle Name, angelehnt an dessen Gründer und Veroneser Sportgelehrten Marcantonio Bentegodi, hat bis dato ein freundschaftliches Verhältnis mit der AC Hellas geführt. Die schwarz-weißen Shirts von Hellas‘ erstem Turnier in Vicenza im Jahre 1909 stammten sogar von Bentegodi, leihweise, als Zeichen für den Veroneser Zusammenhalt.
Doch lediglich ein Jahrzehnt später – oder treffender: eine wahrhaftige Zeitreise später, in Anbetracht der damaligen historischen Ereignisse – gestaltet sich die Situation in Verona komplett neu. In der Saison vor dem italienischen Kriegseintritt konnte sich Bentegodi für die Prima Categoria qualifizieren, als Meister der Veneto-Liga. Dies hat nach Kriegsende zunächst allerdings keinen Bestand, was das Team des Sportinstituts nicht daran hindert, sich auch in der folgenden Saison einfach noch ein weiteres Mal für die damalige italienische Beletage zu qualifizieren.
Ergo: Sowohl AC Hellas als auch Bentegodi dürfen 1920-21 in der Prima Categoria antreten, wenngleich sie in unterschiedlichen Girone (=Staffeln zur Qualifizierung für die Nationalebene) antreten. Bentegodi lässt überraschend Venezia, Udine und Treviso hinter sich; AC Hellas setzt sich unter anderem gegen die Mannschaften aus Padova und Vicenza durch. In der Finalgruppe der beiden Girone des italienischen Nordosten, in welcher die beiden Gruppenersten letztendlich zur Teilnahme an der nationalen Runde berechtigt sind, setzt sich dann tatsächlich die schwarz-weiße Veroneser Mannschaft durch, gemeinsam mit Padova – schwere Zeiten für die gelb-blauen Veroneser, die immerhin die beiden Duelle gegeneinander für sich entscheiden, allerdings dennoch die Heimreise antreten müssen.
Und die folgenden Zeiten werden nicht leichter. Nicht nur die italienische Elite ist Hellas enteilt, auch der eigentlich verbündete Stadtrivale hat nach Kriegsende die Nase vorn. Und das nicht nur sportlich, auch einen anderweitigen Umstand hat Bentegodi den Gialloblù voraus: eine richtige Heimstätte.
Schon vor dem Krieg hatte Hellas angefragt, ob man dauerhaft in jener Heimstätte spielen dürfe, was Bentegodi ablehnte, mit dem Verweis auf die eigenen fußballerischen Ambitionen. Und auch jetzt, nach Kriegsende, versuchen es die Veroneser mit dem alten, neuen Präsidenten Fratta Pasini erneut – und kassieren abermalig einen Korb.
Hellas schlittert in eine Krise, man schließt sich infolgedessen mit dem kleinen städtischen Team Verona zusammen. Daraus resultierend ergibt sich ein neuer Vereinsname: Football Club Hellas Verona. Hellas Verona ist geboren – doch eine Heimstätte gibt es noch immer nicht.
Sowohl Bentegodi als auch Football Club Hellas Verona haben in der Folgezeit ihre Höhen und Tiefen, nach der Saison 1928-29 steigt Hellas Verona aus der inzwischen als Divisione Nazionale firmierenden ersten Liga ab – kurz bevor die eingleisigen Profiligen in Form der Serie A und Serie B eingeführt werden.
Zu diesem Zeitpunkt ist es um Bentegodi nicht mehr allzu gut gestellt. Zu Beginn der 20er Jahre gab es für eine Saison kurzfristig zwei parallele erste Ligen zweier verschiedener Verbände (FIGC und CCI), wobei die heutzutage prominenten Vereine im Gegensatz zu den schwarz-weißen Veronesern allesamt in der Liga der CCI vertreten waren – in Folge dessen begann nach der Wiederzusammenführung für Bentegodi der Absturz, die privilegierten Teams der CCI, wie unter anderem eben auch Hellas Verona, durften erstklassig bleiben.
1929 kommt dann die angesprochene Professionalisierung, wobei Absteiger Hellas Verona in der Serie B startet. Und dennoch große Ambitionen hegt: Die Stadt Verona sowie deren Fußballvereine wollen eine starke Rolle spielen, natürlich in der Erstklassigkeit – und um dieses Ziel zu erreichen, soll der nächste Zusammenschluss her. Die Folge: Football Club Hellas Verona, Bentegodi sowie der Neo-Drittligist Scaligera fusionieren. Es entsteht die Associazione Calcio Verona, kurz: AC Verona.
Das Ziel des neu-formierten Vereins ist die Serie A. Man hat kurze Zeit später auch offiziell eine Heimstätte – endlich, die langersehnte Heimat für den Verein, der vormals als Hellas bekannt gewesen war: Das alte Stadio Marcantonio Bentegodi, nicht zu verwechseln mit dem heutigen Stadion; im Volksmund nur Vecchio Bentegodi genannt. Es liegt zu jener Zeit im Gebiet der Piazza Cittadella – heute findet man hier nur noch ein unterirdisches Parkhaus samt Parkplatz vor. Hellas Verona durfte bereits zuvor sporadisch Ligaspiele im Vecchio Bentegodi austragen, eigentlich war das stadio allerdings die Heimstätte von Bentegodi – nun, im Jahre 1933, erhält man auch von der Stadt die offizielle Erlaubnis, das Vecchio Bentegodi mit seinen damals bis zu 20.000 Zuschauerplätzen als Heimstätte nutzen zu dürfen.
Doch was wäre Hellas Verona, wenn auch nur einmal etwas nach Plan laufen würde. Die neu formierte AC Verona wird nach der Fusion ganze 28 Jahre lang das große Ziel verfehlen, nämlich den Aufstieg in die Oberklasse.
Zu dieser Zeit in den 1950er ist Giorgio Mondadori Präsident der AC Verona. Für das Projekt, den jahrzehntelang ersehnten Wiederaufstieg, hat er einiges investiert, was letztendlich in der Saison 1957-58 final Früchte trägt: Verona steigt erstmals in der Vereinsgeschichte in die eingleisige Serie A auf.
Doch die Etablierung will den Veronesern – wie so oft in den folgenden Jahrzehnten – nicht gelingen, es folgt der direkte Wiederabstieg.
Und eine Krise. Eine handfeste Krise, die sich dieses Mal allerdings als Glückslos erweist, da sie für ein Umdenken im Verein sorgt: Der Klub und seine Verantwortlichen besinnen sich auf die Historie der AC Verona.
1959, nach einem weiteren Jahr in der Serie B, entscheidet sich die AC Verona dazu, einen kleinen Amateurverein aus Verona in den Verein zu integrieren: Die AS Hellas, soeben in die Serie C aufgestiegen, wird „geschluckt“. Das einzige Ziel: den Wiedererhalt des alten Namens, das Wiedererlangen der eigenen Identität. Und so ist letztendlich die Associazione Calcio Hellas Verona knapp drei Jahrzehnte nach ihrem Verschwinden auch auf dem Papier wieder existent, vielmehr: Der Verein lebt wieder. Und er spielt im Vecchio Bentegodi, ab 1963 dann im heutigen Stadio Marcantonio Bentegodi.
Gut Ding will eben Weile haben – il nome giusto al posto giusto.