hvfc – el tempo buta in piova.

El tempo buta in piova. Oft habe ich über die Eigenarten der Veroneser gesprochen. Auch über ihren Dialekt. “Das Wetter verändert sich zu Regenwetter”, so könnte man den Einstieg übersetzen. 

Regenwetter und Verona – eine, in diesem Sommer, aus meteorologischer Sicht eher unpassende Wörterkombination. 

Aus fußballerischer Sicht hingegen gibt es unterschiedliche Perspektiven. Ist das seit Jahren ein Rekordsommer, ein atypisches Hoch, welches Saison nach Saison seit Sommer 2019 in Verona, nur länger als gewöhnlich, anhält?  Gibt es seit jenem Sommer wirklich nicht mehr als lediglich kleine Regenschauer, auf welche anschließend sogar viel kräftigere Hochdruckgebiete folgen? 

Schwierig zu beantworten. Bleiben wir beim Wetter: Movite che el soe magna e ore – „Beeil dich, die Sonne frisst Stunden!“, besagt eine venetische Redewendung, die sich außerordentlich gut in Scaligeri-Sphären übersetzen lässt: „Genieße so lange wie möglich – das Hoch lässt die Zeit im Fluge vergehen!“.

Worauf ich hinaus will, wird sich ein Großteil der Leser*innen vermutlich bewusst sein: Es herrscht auch in diesem Sommer im fußballerischen Verona wieder eine Zeit mit Regenschauern, trotz des vergangenen Rekordhochs.

Die Regenwolken sind dieses Mal allerdings kräftiger, dunkler, mächtiger. Noch verziehen sie sich immer wieder – doch ja, man merkt: Hier besteht Potenzial für einen Dauerregen. 

Dauerregen – Erfolglosigkeit, Abstiegsgespenst. Drohgespinste in Verona, die beinahe alljährlich sind. Und immer präsent waren, sieht man von den Hochzeiten unter Osvaldo Bagoli ab. El soe magna e ore. Lange ist es her.

Oft bin ich darauf eingegangen, auf diese Unsicherheiten, auf die eigentlich nicht vorhandenen Erwartungen, damals, an die Saison 2019-20 nach dem Aufstieg in sprichwörtlich letzter Sekunde. Erwartungen, die nicht hätten dunkler als die dicksten Regenwolken sein können. Man ging vom direkten Wiederabstieg aus, wie so oft. Fahrstuhlmannschaft Verona: ohne Ambitionen, ohne Struktur und ohne Plan.

Doch Juric führte Stadt und Verein nicht etwa vom Regen in die Traufe, vielmehr vom kurzen Zwischenhoch – dem Aufstieg, auf welchen im Sinne der Logik doch eigentlich die gnadenlose Abkühlung folgen sollte – in das bis heute anhaltende Rekordhoch. 

Doch was führt dann zu der derzeitigen, abermalig so bedrohlichen „Wetterkulisse“ in der Città di Verona, wo doch eigentlich angesichts der drei vergangenen Liga-Platzierungen in der Serie A (2019-20: 9.; 2020-21: 10.; 2021-22: 9.) Eitel Sonnenschein herrschen müsste, insbesondere nach Rekorden in puncto Ligatore (65 erzielte Treffer) sowie dem Erreichen eines Beinahe-Punkterekords (53 Punkte: einer weniger als 2013-14)?

Das Hoch „Ivan“ ist bekanntlich schon seit letztem Sommer weiter in Richtung Piemont gezogen, wobei es sich auch dort ein ums andere Mal heftig entladen hat, so zuletzt vor wenigen Tagen mit Torino-Sportdirektor Davide Vagnati – für Regenschauer in Verona kann „Ivan“ in diesem Sommer wenn überhaupt nur indirekt beteiligt sein. Begeben wir uns auf weitere Spurensuche.

Welche Rolle für das Veroneser Wettergeschehen spielt denn eigentlich Präsident Maurizio Setti? Kommen wir später darauf zurück. Sicherlich ist er gewissermaßen mit Petrus gleichzusetzen, im Sinne von: Setti bestimmt, wie das Wetter sich entwickelt. Zumindest in großen Teilen. Bestes Stichwort: „Tony“.

Das Wetterphänomen „Tony“ – es kam als frische Brise in den Veroneser Scoutingbereich, fungierte dann schnell als leitender Angestellter in selbigem. Schnell kristallisierte sich allerdings raus, dass dieses Wetterphänomen im positiven Sinn sehr beständig war: Schnell entwickelte es sich zu Hoch „Tony“, schnell wurde Tony D‘Amico zu einer der tragenden Säulen des Vereins, wenn nicht sogar zu der tragenden Säule des Vereins.

Im Sommer 2018 erfolgte die Ernennung zum Sportdirektor, in äußerst stürmischen Zeiten: Einmal mehr war man in jenen Tagen in die Zweitklassigkeit abgestiegen, sang und klanglos, ganze zehn respektive fünfzehn Punkte hinter Crotone und Spal.

Die folgende Saison in der Serie B war schwierig, erst im Rückspiel des Play Off-Finales konnte man die Segel in die richtige Richtung des Windes setzen und den Sprung hoch zur Serie A schaffen, trotz aller Widrigkeiten.

Es folgte die Juric-Verpflichtung, sprich: Die Verpflichtung eines Trainers, der in Italien nach seinen Genoa-Intermezzi bereits als gescheitert galt – welch genialer Schachzug von D‘Amico. Nach ähnlichem Schema tätigte er bis zuletzt auch seine Spielertransfers in Verona. Erfolgsgeschichten wie jene von Miguel Veloso, Koray Günter, Gianluca Caprari, Giovanni Simeone oder auch Antonin Barak sind den Lesenden hier voraussichtlich wohlbekannt, teilweise sind die Geschichten auch noch gar nicht zu Ende erzählt.

Tony D‘Amico schaffte es durchgehend, negative Luftströme zu bündeln und in Hochdruckgebiete zu verwandeln – Regenschauer wurden so beinahe beiläufig hingenommen, selbst nach dem Abgang von Ivan Juric. Alles kein Problem, denn: Der Tony, der war ja noch immer da.

Und tatsächlich, auch nach dem Juric-Weggang im Sommer 2021 schaffte es Hoch „Tony“ wieder, andere mit in sein Hochdruckgebiet zu ziehen, dieses Mal folgte auf das Hoch „Ivan“ ein anderes aus Kroatien: das Hoch „Igor“, welches seinem Vorgänger – lassen wir das letztendlich als Hochdruckbrücke fungierende Zwischentief „Eusebio“ mal außen vor – in nichts nach stand und eventuell sogar noch offensichtlicher brillierte. Doch auch Hoch „Igor“ ist gen Westen gezogen. Viel schlimmer: Auch Hoch „Tony“ ist Geschichte in Verona.

Kommen wir weg von Wetterphänomenen, hin auf rein sportliche Ebene.

Sportdirektor Tony D’Amico, die Veroneser Schlüsselfigur, ist weitergezogen, weitergezogen nach Bergamo. In einen funktionierenden Verein, auf einer Ebene agierend, von welcher Veroneser tifosi in den letzten Monaten insgeheim träumten. Nie schien europäischer Fußball näher. Doch nur wenige Wochen später scheint das alles wieder ganz weit weg zu sein.

Man kann es D’Amico nicht verübeln. Seine jahrelange Arbeit auf höchstem Niveau kann er nun in Bergamo fortführen, in einem Verein, bei welchem er nicht jedes Jahr bei null beginnen muss, ob diverser Abgänge und/oder fehlender Weiterverpflichtungen.

Themen und Problematiken, die in Verona eng mit dem vermeintlichen „Petrus“ Setti zusammenhängen. Einmal mehr hat der Präsident auch in diesem Sommer persönliche Interessen (sprich: Profit) über jene des Vereins gestellt, einmal mehr müssen wir über eine fragwürdige Transferpolitik diskutieren.

Einmal mehr? Ja, genau. Auch die Sommertransferperioden der vergangenen Jahre ließen auf den ersten Blick nur wenig Optimismus zu verbreiten – wenngleich die Anhänger drer Mastini nie das Vertrauen in das Gespür ihres wahren „Wettermachers“ Tony D’Amico verloren. Und das völlig zurecht nicht – der Sportdirektor schaffte es Jahr für Jahr, immer wieder aufs Neue das Gespür für die Verpflichtung der richtigen und passenden Spieler (und Trainer!) zu haben.

Und nun? Nun heißt es Vertrauen haben. Vertrauen darin, dass man die gravierenden Abgänge sämtlicher Leistungsträger irgendwie adäquat ersetzen kann. Vertrauen darin, dass Neo-Trainer Gabriele Cioffi in Verona einen ähnlichen Weg wie sein Vor-Vorgänger Tudor nach seinem Weggang aus Udine beschreiten kann. Vertrauen darin, dass der neue Sportdirektor Francesco Marroccu, gekommen aus Brescia, auch nur annähernd dasselbe Gespür wie sein Vorgänger D’Amico nachweisen kann, auf allen Ebenen. Vertrauen darin, dass die Verantwortlichen Veroneser einen Plan haben. Einen Plan, Abgänge wie jenen von Gianluca Caprari zu einem Serie A-Aufsteiger (! – wenngleich es Monza ist) kompensieren zu können. Oder jenen von Goalgetter Simeone.

Es bedarf einer gehörigen Portion Vertrauen und insbesondere Optimismus, um sich angesichts der drohenden Starkregen-Kulisse im Veroneser Umland nicht gleich zu verkriechen. Vielleicht ist es aber auch genau das, was die Stärke von Verona in der kommenden Saison sein kann. mentalità calcio wird sich den Chancen und Perspektiven des Kaders in der Woche vor dem Saisonstart gegen Napoli widmen.

Speremo che doman sia megio de ancuo – hoffen wir, dass es bis dahin etwas mehr Hoffnung auf eine positive Entwicklung der „Wetterlage“ im Veroneser Veneto gibt.

tifoso del verona