muore un papa se ne fa un’altro

Ivan Juric blickte kurz auf den Boden. Es schien, als wolle er der Frage der Sky-Reporterin eigentlich ausweichen, nur um sich dann doch zu äußern: „Non lo so se resterò, bisogna vedere quello che si vuole fare. Personalmente voglio competere, non mi interessano soldi e contratti. Nel momento in cui c’è la possibilità di crescere come squadra meglio, ma è il Presidente a decidere.“ – „Ich weiß nicht, ob ich bleiben werde, man muss sehen, was man tun will. Ich persönlich möchte „konkurrieren“, Geld und Verträge interessieren mich nicht. Ob es die Möglichkeit gibt, als Team besser zu werden und zu wachsen, entscheidet aber der Präsident.“

Ruuuums. Juric’ Worte ließen die Arena di Verona und die Piazza Bra quasi erdbebengleich erzittern, im Kosmos der Gialloblu schlugen diese Aussagen ein wie das Tauwasser der Alpen frühjährlich in die Adige – wenngleich die Worte des Kroaten, im Gegensatz zu selbigem Tauwasser, welches in ungesunder Regelmäßigkeit zu Hochwasser führt, keine sichtbaren Schäden in der wunderschönen mittelalterlichen Stadt hinterließen.

Dafür allerdings in der Psyche der Veroneser Anhänger umso mehr.

Der gemeine Beobachter vermag sich nur zu wundern, welch Macht und Hintergrund hinter diesen Worten stecken soll. 

mentalità calcio betreibt Aufklärung, was in der neusten Version von Tragedia mit dem Spielort Verona bisher passiert ist. 

Es ist der 22. Juli eines ansonsten krisengeplagten Jahres 2020. 

Ivan Juric hat soeben seinen Vertrag verlängert, die Geschichte ist wohlbekannt. Das Interesse aus Florenz und England ließ ihn kalt, die Länge des Vertrags ist auch heute noch ziemlich überraschend: um drei Jahre wurde verlängert, bis nach der Saison 2023.

Jubelstürme in Verona, und das trotz dem zugleich unbeliebten wie sparsamen Präsidenten Maurizio Setti; schien man doch mit il mago di Split die Basis für das erfolgreichste Verona seit 1985 gelegt zu haben – und die tifosi del Verona wurden nicht enttäuscht. 

Trotz dem Wegfall zahlreicher Leistungsträger wie Kumbulla (Roma), Rrahmani (Napoli) oder Amrabat (Fiorentina) stellte Juric in enger Zusammenarbeit mit Sportdirektor Tony D‘Amico erneut ein Team zusammen, dessen Zugänge die Jahre zuvor größtenteils unter dem Radar liefen, ohne ihr Potenzial auszuschöpfen: stellvertretend sei hier Antonin Barak genannt.

Die clevere Transferpolitik mit vielen Leihen, Kaufoptionen und Kaufpflichten erzielte wie im Jahr zuvor den bestmöglichen Effekt: Verona hatte das ganze Jahr über keinerlei Kontakt mit den Abstiegsrängen, lehrte stattdessen – wieder einmal – allen möglichen „Großen“ das Fürchten, wenngleich weiterhin das Fehlen eines echten Torjägers für wahre Sorgenfalten auf der Veroneser Stirn sorgte – nach den Verpflichtungen von Kalinic und Favilli zeigte auch Winterneuzugang Kevin Lasagna bisweilen nur Ansätze. Tentar non nuoce, der gebürtige Lombarde ist noch eine weitere Saison aus Udine ausgeliehen, es besteht also noch Hoffnung auf einen Entwicklungssprung in der kommenden Saison.

Ob in jener nächsten Saison allerdings tatsächlich noch Ivan Juric einen solchen möglichen Entwicklungssprung von Lasagna und anderen Spielern verantwortet, scheint nach seinen Aussagen am Sonntagabend fraglicher denn je. 

Die herausragende Saison bis Ende Februar fand ein beinahe abruptes Ende, inzwischen hagelte es sechs Niederlagen aus den letzten sieben Spielen für die Scaligeri

Die krasseste Negativserie seit knapp einem halben Jahrzehnt; damals unter Fabio Pecchia, von einem Verona einer längst vergangen geglaubten Zeit.

Juric sollte diese Negativserie als Warnung betrachten: Bei jedem anderen Serie A-Klub hätte eine solche Serie allein für ein Erdbeben gesorgt und sein Kopf wäre infolgedessen „weggeschwommen“ – in Verona hielten die Stadtmauern und das Vertrauen der Führung und Fans allerdings jedem Erdbeben und Hochwasser bislang stand, Juric‘ Position stand trotz der seit Wochen anhaltenden Erfolglosigkeit noch nicht einmal annähernd zur Disposition.

Warum auch. Es ist bekannt, dass der Kroate in Verona den Status eines re genießt, eines Königs. Doch das bedingungslose Vertrauen fängt an, erste Risse zu bekommen – die Stadtmauern halten das Wasser der Adige allerdings noch zurück, im übertragenen Sinne.

Doch, die lange Vertragslaufzeit, das so enge Verhältnis von Trainer und Stadt – es gibt trotzdem größer werdende Fragezeichen.

Der Respekt ist nach wie vor ungebrochen und ohne Limit, doch Juric‘ Aussagen erinnerten fast an Zaccagnis Berater, der seit Wochen ein krudes Spiel mit den Medien aus Neapel spielt. Und dessen Schützling seit Wochen durch Leistungsverweigerung glänzt: Die EM scheint für den Italiener so weit weg wie nie zuvor. Verpokert? – Juric wird einen Teufel tun, sich so zu verhalten und als Folge ein rapides, weiteres Abstürzen in der Tabelle hinzunehmen.

Doch er muss aufpassen: die Unruhe, die er nach Monaten der – für Verona fast surrealen – Gediegenheit mit seinen Aussagen der letzten Wochen geschürt hat, könnte ihn zum Verhängnis werden. 

In Neapel, in Florenz und auch in Rom wird man seine Situation weiterhin genauestens beobachten und wird die Aussagen am Sonntagabend wohlwollend zur Kenntnis genommen haben – allerdings: zwei Monate ohne Sieg würden in diesen Städten und Vereinen niemandem verziehen. 

In Verona ist man hingegen weiterhin etwas geschockt ob der wiederholt getätigten Aussagen von Ivan Juric, auch gerade in Anbetracht der immer noch langen, restlichen Vertragslaufzeit.

Ein Abgang würde dem allgemeinen Tenor zufolge allerdings keinen mehr so richtig überraschen. Es besteht mittlerweile auch ein hohes Grundvertrauen in Tony D‘Amico, dem inzwischen wie nahezu selbstverständlich zugetraut wird, auch in Kombination mit einem anderen Trainer die erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre nahtlos fortzuführen zu können. Immerhin zumindest so weit, um ein schlagkräftiges Team für den Kampf um den Klassenerhalt zusammenstellen zu können.

Der Weggang von Ivan Juric wäre dennoch ein tiefer Einschnitt in der jüngsten Geschichte der Gialloblu. Die Aufregung über diesen Einschnitt würde allerdings nach wenigen Monaten einer gewissen Gleichgültigkeit weichen, ist man in Verona doch Enttäuschungen dieser Art gewohnt, steckte man doch Tiefschläge sportlicher (Verein) und natürlicher Natur (Stadt) nur allzu oft bravourös weg.

Und so gilt für Juric letztendlich das gleiche italienische Sprichwort, wie für jeden anderen Normalsterblichen auch: „Muore un papa se ne fa un’altro.“ – Niemand ist unersetzlich. Auch nicht Ivan Juric, wenngleich es eine Herausforderung größeren Ausmaßes für Hellas Verona wäre. 

tifoso del verona