notizie di verona – 20.02.24

Mitten in meinen Text platzte die Nachricht vom Tod von Andreas Brehme. Ich hatte das große Glück sowie die riesige Ehre, ihn im Rahmen meines Interviews mit Hans-Peter Briegel im April letzten Jahres in Bardolino am Lago di Garda kennenlernen zu dürfen. Ein großartiger Fußballer (und natürlich Mensch!) verlässt uns, der in Italien vielleicht eine noch größere Legende als in Deutschland ist. Seine Titelsammlung liest sich herausragend: Weltmeister, mehrfacher deutscher Meister, deutscher Pokalsieger und Gewinner des Scudetto 1989 sowie des UEFA-Pokals 1991 mit Inter.

Doch was mir an diesem Nachmittag in Bardolino vordergründig klar wurde – Brehme liebte Italien. Und Italien liebt(e) Brehme. Grazie e riposa in pace!

Es ist kurz nach halb vier, ein Samstagnachmittag im Norden Italiens, Mitte Februar. In der Ferne lässt es einen lauten Schlag. Ein Böller detoniert. Passanten, die mir auf der Straße entgegenkommen, zucken nicht mit der Wimper. Ist dieser vermeintliche Ausnahmezustand etwa zur Regel geworden?

Es detoniert ein weiterer Böller. Ein lautes, tiefhallendes Knallen. Aus der Ferne trägt der Wind Gesänge herüber: Veronese pezzo di merda!

Sind hier denn etwa alle verrückt geworden? Wie kann man eine solche Bedrohungskulisse aufbauen, sich das alltägliche Leben von einer kleinen Minderheit zunichtemachen lassen? Da wird ja das Kind im Manne verrückt…

Wischen wir den „Spaß“ bei Seite. Fernab von „demokratischen“ Abstimmungen im deutschen Fußball, die das Vertrauen in Institutionen wie DFL und DFB massiv „bestärken“, existiert im südlichen Europa ein Land, welchem man im Reich der Germanen gerne per se in allen anderen Lebensbereichen (auch außerhalb des Fußballs) so ehrenwerte Begriffe wie „Korruption, Strukturlosigkeit und Antidemokratie“ zuschreibt. Verrückt, oder? Finde ich auch. Der Durchschnittsdeutsche zahlt dann lieber bald 150 € monatlich für seine zukünftigen fünf Pay TV-Abos, um Heidenheim gegen Hoffenheim UND Wolfsburg gegen Leipzig schauen zu können, als dass er den Protest annimmt. Grande! Ich fahre für das Geld lieber ins Bentegodi. Auch wenn in Italien und im calcio selbstverständlich bei Weitem nicht alles Gold ist, was glänzt.

Sei es, wie es ist – der Fußballabend in eben jenem Bentegodi am letzten Samstag hatte alles, was das traditionsbewusste Fußballherz liebt. Auch die zahlreich erschienenen gelb-blauen Herzen gingen an diesem Abend eher zufrieden als enttäuscht nach Hause – und das aus gutem Grund.

Rund um die Curva Sud herrschte schon weit vor Spielbeginn eine entspannte Stimmung, der Juventus-Mob auf der anderen Seite des Stadions im abgesperrten Gästezugangsbereich lebte hingegen bereits seinen eigenen Pöbel-Film, wie in der Einleitung beschrieben. Viele Emotionen, 16 Grad, Sonnenschein, Hellas Verona – was will der hiesige Autor mehr? Wirklich gar nichts.  

Außer vielleicht drei Punkte für die Gastgeber – und an denen konnte Verona durchaus intensiv schnuppern. Auf das Spiel soll an dieser Stelle gar nicht so sehr eingegangen werden, die meisten der Lesenden werden ohnehin zumindest die Highlights gesehen haben.

Kommen wir allerdings zu einigen Erkenntnissen aus Sicht von Hellas Verona, die man aus diesem 2-2 gegen den Rekordmeister ziehen kann:

Die Mannschaft wächst weiter (zusammen).

Baroni hat es verstanden, die vielen Neuzugänge in das Team zu integrieren. Von Spiel zu Spiel greifen immer mehr Automatismen, die Spiele werden flüssiger und „ertragreicher“ – Juve-Coach Allegri wurde nach dem Spiel gefragt, wer von den Gegnern der letzten Wochen (Empoli, Udine, Verona) sich denn am Ende retten würde: „Verona ist eine sehr organisierte und gesunde Mannschaft, schauen Sie sich nur das Spiel gegen Inter in Mailand an. Sie haben alles, was es braucht, um zu überleben.“ Ob tatsächlich so gemeint oder nur aus reiner Höflichkeit – die Spiele der letzten Wochen geben Verona trotz des wohl schwersten Restprogrammes definitiv Hoffnung auf den Klassenerhalt. Vor einigen Wochen schien dieser noch ein nahezu hoffnungsloses Unterfangen zu sein…

Folorunsho wird immer wichtiger.

Der Römer konnte in der letzten Saison für Bari in der Serie B glänzen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat sich der variable Mittelfeldmann zu einem der Leistungsträger der Gialloblù gemausert – und konnte sich mit zwischenzeitlich 26 Jahren seinen Traum von der Serie A erfüllen. Bereits gegen die Roma erzielte „Folo“ ein Klassetor, doch jenes gegen Juventus toppte alles und weckte für ältere Anhänger der Mastini Erinnerungen an den Treffer von Domenico Volpati im Europapokal der Landesmeister 1985-86 (Treffer zum 3-1 gegen PAOK in der ersten Runde, Highlights hier.)

Teufelskerl Montipò.

Langsam wird es „lächerlich“ – jede Woche schreibe ich von Montipò. Aber wieder einmal war es der italienische Schlussmann, der den Punkt für die Scaligeri festhielt, und das nicht nur gegen Chiesa in der letzten richtigen Aktion des Spiels. Es scheint nach den vergangenen Monaten beinahe unmöglich, dass der 2021 von Benevento gekommene Schlussmann über den Sommer hinaus das Tor der Gialloblù hüten wird – ganz gleich, ob Verona den Klassenerhalt schafft oder nicht. Mit ganz genau heute 28 Jahren (Glückwunsch!) ist Montipò bereit für Aufgaben in neuen Sphären…

Die gewonnene Variabilität und Flexibilität durch Noslin.

Der junge Niederländer hat sich gut eingefügt, bringt die von Baroni gewünschte Flexibilität in den Angriff, die dem Coach bei Djuric und auch Bonazzoli nicht wirklich ausgeprägt genug gewesen ist. Noslin ließ zwar eine riesige Chance liegen, erzielte dann aber dennoch eiskalt das 2-1. Hoffen wir auf den „Ngonge-Effekt“ – ein erster Ligatreffer, der einen gewaltigen Knoten platzen lässt…

Im Übrigen ist Noslin der erste Niederländer, der einen Treffer für Verona erzielten kann. Kaum zu glauben?! Nun gut, die Vorgänger sind überschaubar und hießen bzw. heißen Urby Emanuelson, Deyovaisio Zeefuik, Jayden Braaf sowie Co-Winter-Neuzugang Elayis Tavsan. 

Debütant Reda Belahyane.

Ein weiterer Winterneuzugang durfte ebenfalls erste Minuten sammeln. Auch aufgrund des kurzfristigen Ausfalls von Suat Serdar, der sich zwischenzeitlich zum Stammspieler gemausert hat, durfte Belahyane immerhin 16 Minuten sammeln, als er für den Torschützen Folorunsho eingewechselt wurde. Das Publikum sei „fantastisch“ gewesen, er habe „immer davon geträumt, in einem solchen Spiel vor einem solchen Publikum“ zu spielen. Als Vorbilder bezeichnete seinen Landsmann N’Golo Kanté und Andrea Pirlo – große Ziele für den jungen Mann, der zudem das Training in Verona als härter und intensiver mit jenem bei Ex-Verein OGC Nice verglich.

Legenden.

Das Jahr 1985 ist in Verona bekanntlich noch immer allgegenwärtig. Auch vor dem Spiel gegen Juventus wurde mit Silvano Fontolan, Verteidiger der Meistermannschaft von 1985, eine Vereinslegende im Bentegodi begrüßt und von den Rängen frenetisch gefeiert. Doch leider nagt das Alter der Zeit auch an den Helden von damals – der langjährige Doktor von Hellas Verona (so auch im Meisterjahr 1985), Giuseppe Costa, ist im Alter von 88 Jahren verstorben. Wie auch in der gestrigen Nacht dann Andi Brehme. RIP.

Ausblick.

Nächster Stopp für die Mastini ist dann am Freitag das schwere Auswärtsspiel beim Rivalen Bologna. Stand heute werden im Gegensatz zur letzten Saison auch wieder Anhänger aus der Provinz Verona dem Spiel beiwohnen dürfen. Mit einer ähnlichen Leistung wie gegen Juventus oder in Mailand gegen Inter sollte durchaus ein Punkt beim „Überraschungsteam“ von Coach Thiago Motta drin sein. Es wäre enorm wichtig, punktet die Konkurrenz im Tabellenkeller doch irgendwie im Gleichschritt mit Verona und egalisiert so die „Big Points“ wie gegen Juventus immer wieder aufs Neue…

tifoso del verona