notizie di verona – 21.01.2025 – veroneser atlantik-brücke

Vorab eine kleine Korrektur: Hitzlsperger hat zwischenzeitlich gegenüber Marius Soyke (Transfermarkt, SerieAmore) bestätigt, dass es sich um einen Posten im Aufsichtsrat und damit um eine kontrollierende Funktion handelt, keine operative. Der italienische Begriff hierzu war für die komplette deutsche Medienlandschaft inklusive für mich in den vergangenen Tagen irreführend – „lost in translation“ sozusagen. Danke an Marius!

Im Text sind die entsprechenden Passagen ebenfalls angepasst (Stand 25.01.2025). Inwieweit (und ob überhaupt) die Personalien tatsächlich operativen Einfluss nehmen werden, das wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Es ist ebenfalls sehr gut möglich, dass i tedeschi ihre kontrollierende Funktion lediglich im Hintergrund erfüllen, wie üblich. Das unten angesprochene „Grummeln im Bauche“ ist auf jeden Fall weitaus weniger geworden. Aus Transparenzgründen lasse ich den Artikel mit entsprechenden Korrekturen (Aufsichtsrat statt Vorstand) online.

Es war Sonntag am frühen Mittag, als ich in Verona für das Abendspiel gegen Lazio ankam und erstmal mein Smartphone checkte. Wie gewohnt ging einer der ersten Klicks direkt auf die HellasLive-App – und ich musste ungläubig stutzen. Dort stand der neue Boss Italo Zanzi neben weiteren, mir auf den ersten Blick unbekannten Menschen. Doch einer stach sofort heraus: Thomas Hitzlsperger. Seines Zeichens von nun an Aufsichtsratsmitglied des Hellas Verona Football Club. Nach einem durchwachsenen Engagement beim VfB Stuttgart, auseinandergegangen im Clinch mit der aktiven Fanszene. Nach einem schwierigen Start als Investor beim Aalborg BK, wo irgendwelche Streamer als Investoren fungieren sollten und sich nach Protesten der aktiven Fanszene dann doch zurückzogen. Der „DFB-Botschafter für Vielfalt“ – und nun im Vorstand bei jenem Verein, der bei seinen vagen journalistisch-relevanten Ausflügen in der deutschen Öffentlichkeit als Synonym für wirklich alles, aber sicherlich nicht für Diversität steht. Provokante Fragen seitens der deutschen Öffentlichkeit? In den kommenden Monaten vorprogrammiert. Bis jetzt war diese Personalie allerdings nicht einmal der dpa eine Meldung wert.

Umso mehr verwundert diese „Ignoranz“ der deutschen Presse, betrachtet man die weiteren neuen Aufsichtsratsmitglieder, die so auch in einer Auflistung des „Atlantik-Brücke e.V.“ stehen könnten:

Italo Zanzi – Ex-CEO der Roma, Managing Director FOX Sports Asia, Vice President der MLB. Italo-Amerikaner.

Dirk Swaneveld – Vice President der Investmentabteilung von Presidio Investors. US-Amerikaner. 

Christian Puscasiu – Managing Partner bei Presidio Investors. Zusätzlich als Dozent an der University of California tätig. US-Amerikaner mit rumänischen Wurzeln – die rumänischen Medien haben sein komplettes Leben in hunderten Artikeln beleuchtet, seit die Übernahme samt seiner Beteiligung bekannt ist. 

Thomas Hitzlsperger – Seinen Werdegang nach seiner Karriere als aktiver Fußballer, die ihn unter anderem für wenige Monate zu Lazio führte, habe ich eingangs kurz beleuchtet. Er ist das einzige Vorstandsmitglied, das seine Sporen als professioneller Fußballer verdiente.

Isabella Thun-Hohenstein – Gräfin, stammt aus der Fugger-Familie zu Augsburg. Verfügt wohl über diverse Erfahrungen im Sportsektor, insbesondere in der Organisation von Hospitality-Events sowie im Ticketing. In beiden Bereichen soll sie auch im Rahmen der EM 2024 eingebunden gewesen sein.

Donata Hopfen – Ebenfalls eine durchaus überraschende Personalie. Hopfen war im Jahr 2022 knappe 12 Monate bis zu ihrer Eigenkündigung Geschäftsführerin der DFL, zuvor war sie vorwiegend als „Digitalberaterin“ tätig.

Es scheint, als wolle Presidio nicht die Fehler anderer US-Investorengruppen wiederholen und blind auf den europäischen Markt treten. Man hat sich reichlich deutsche (und damit europäische) Expertise mit an Bord geholt, das Board besteht sogar je zur Hälfte aus deutschen und US-amerikanischen Mitgliedern. Das war so nicht zu erwarten. 

Doch „erwarten“ ist ein gutes Stichwort – niemand weiß, was Hellas Verona erwarten wird. Für Begeisterungsstürme sorgt diese Auflistung bei mir nicht wirklich – aus verschiedensten Gründen. Wurde im offiziellen ersten Kommuniqué noch ausführlich auf die „besondere Verbindung von Stadt, Region und Verein“ hingewiesen, so hat dieses neue Board im Endeffekt genau null Verbindungen zu Stadt oder Verein. Das macht mich dann doch etwas stutzig. Genauso stutzig macht mich die Betrachtung der Personalie Hitzlsperger in Stuttgart, wo der frühere Nationalspieler eher als Spalter denn als Entwickler auffiel. Ich bin nicht allzu tief in der Materie drin, Artikel aus jener Zeit von Zeit Online, Stuttgarter Nachrichten und weiteren Medien agieren allerdings als „Hoffnungsdämpfer.“

Dass er zumindest im Umgang mit aktiven Fanszenen während seiner (auch Lehr-) Jahre in Stuttgart nur wenig mitnahm, stellte er dann in Aalborg (zumindest aus der Distanz) unter Beweis. Streamer mit ein zu binden in Vereinsstrukturen, um so Fans aktiv 24/7 Zugang zu ihrem Lieblingsverein über irgendwelche Streaming-Plattformen mit exklusivem Content zu ermöglichen – nun gut, das kann von mir aus bei den New York Yankees funktionieren, in Verona würde es allerdings nicht weniger kritisch aufgenommen werden als vor einigen Monaten im dänischen Aalborg. Klingt drastisch, doch die Vorzeichen dieser Personalie laden nicht unbedingt zu optimistischen Denkweisen ein.

Auf den ersten Blick liest sich die von Presidio eingeholte Expertise in Form der deutschen Mitglieder zwar nicht verkehrt – insbesondere Hopfen und Thun-Hohenstein werden auf ihren Gebieten äußert kompetent sein, haben hervorragende Referenzen – doch irgendwie bekomme ich dieses nervöse Grummeln im Bauch nicht los. Vielleicht auch völlig unbegründet, vielleicht geht das Projekt durch die Decke. Doch zum jetzigen Zeitpunkt – schwierig zu greifen für mich.

Eine der wichtigsten Säulen im Bereich des Recruitings ist es, die richtigen Personen für den richtigen Job im passenden Unternehmen samt der passenden Unternehmenskultur zu finden. Ja, man soll groß denken. Das hat man in Verona über Jahre unter Setti eben nicht – doch ob Menschen mit Manager-Hintergründen, Menschen (offensichtlich) ohne Feinfühligkeit im Umgang mit aktiven Fanszenen und Menschen mit Hintergründen in DFL und globalen Sportevents tatsächlich die passenden Akteure für Hellas Verona sind, das darf zu diesem frühen Zeitpunkt zumindest kritisch beäugt werden. Ohne wirkliche Gründe, doch das Grummeln im Bauche bleibt. „Getting the right people in the right jobs is a lot more important than developing a strategy“, wusste Ex-General Electric-CEO Jack Welch schon vor vielen Jahren. Und so bleibt zu hoffen, dass Presidio Investors nicht nur eine valide Strategie für die Zukunft des Vereins hat, sondern auch wirklich ein gutes Händchen in punkto der oben genannten Personalauswahl.

Nicht falsch verstehen – sicherlich habe ich nicht mehr Fachkompetenz als irgendeines der neuen Board-Mitglieder. Doch ich kenne Hellas Verona. Ich kenne die Stadt, die Menschen, das Umfeld. Und genau deswegen sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt leider kein perfect match. Gut Ding will bekanntlich Weile haben. Also warten wir ab – ich hoffe, dass ich eines Besseren belehrt werde.

An Neuverpflichtungen ist übrigens weiterhin nicht zu denken – nach Informationen der lokalen Presse soll auch nichts investiert werden, bevor Spieler verkauft und somit Einnahmen generiert wurden. Trotz der Übernahme soll in diesem Winter der „Setti-Weg“ fortgeführt werden. Nicht unbedingt die positivsten Tage nach der 0-3 Niederlage gegen Lazio – und das in Anbetracht der beiden „do or die“-Auswärtsspielen in Venezia und Monza an den beiden kommenden Spieltagen…

tifoso del verona