„was, der war bei hellas?!“ – #1

Die Hellas-Fans haben über die Jahre viele Spieler Kommen und Gehen sehen. Die meisten dieser Spieler werden heute, vor allem natürlich in Deutschland, nicht mit dem „Provinzverein“ aus der Stadt von Romeo und Julia in Verbindung gebracht. 

In dieser  – vielleicht bereits bekannten – Serie werden Spieler vorgestellt, die während ihrer Karriere das Trikot der Gialloblu getragen haben und später eine erfolgreiche Karriere erlebten, heute jedoch mit anderen Vereinen assoziiert werden.

Den Anfang macht Adrian Mutu.

Ein Spieler, der heute leider nicht mit seiner Genialität, seiner Torgefahr oder seiner Kreativität in Verbindung gebracht wird – nein, mit Adrian Mutu werden viele zunächst einmal Widrigkeiten mit Gesetzen oder Probleme mit etwaigen Proben assoziieren. 

Leider fällt so oft unter den Tisch, welch grandioser Spieler der Rumäne war. 

Doch hier soll es ausschließlich um seine Zeit in Gialloblu gehen, denn: Bevor Mutu die große Bühne in London, Florenz und Turin betrat, sollte er seinen Durchbruch in Italien schaffen – bei Hellas Verona. 

„Was, der war bei Hellas?!“

Es ist der Sommer im Jahre 2000 als Hellas Verona, nach einem sehr souveränen Klassenerhalt, mal wieder auf der Suche nach bezahlbarem Spielermaterial ist. 

Spielermaterial, welches einen erneuten Klassenerhalt möglichst früh unter Dach und Fach bringen soll.

Einige hundert Kilometer nordwestlich von Verona hat ein rumänisches Talent ein weitaus weniger erfolgreiches erstes Halbjahr in der Serie A hinter sich: 

Der junge Adrian Mutu, der sich nach einer äußerst erfolgreichen Saison bei Dinamo Bukarest im Januar zuvor dem großen FC Internazionale aus Mailand angeschlossen hatte, bekam nur wenige Kurzeinsätze in jenem ersten Halbjahr nach seinem Wechsel.

Erste Fragezeichen traten auf, ob der technisch sehr beschlagene Mutu der Herausforderung in Italien tatsächlich gewachsen war.

Verona nutzte die Gunst der Stunde, sicherte sich in einem, damals in Italien noch üblichen, Transferkonstrukt die Hälfte der Transferrechte an Mutu und fortan lief das vielversprechende Talent in der Serie A für die Scaligeri auf.

Doch Mutu war schon zum Zeitpunkt seines Wechsels nicht „irgendjemand“. Wenige Wochen vor seinem Transfer nach Verona war er immerhin bei der Europameisterschaft in den Niederlanden und Belgien im Einsatz, so unter anderem über 90 Minuten im EM-Viertelfinale des Jahres 2000 gegen Italien (0-2 aus Sicht der Rumänen).

Die Fans der Scaligeri freuten sich also auf einen ungeschliffenen Rohdiamanten, der trotz seines jungen Alters schon einige Einsätze auf höchstem Niveau vorzuweisen hatte. 

Und schon am dritten Spieltag der Saison 2000-01, in seinem ersten Spiel über 90 Minuten, zeigte Mutu erstmals das ganze wahnsinnige Potenzial, das ihn ihm steckte. 

Es ist ein Heimspiel gegen Lazio. Adrian Mutu darf als einer von zwei Stürmern starten, neben einem der damals größten Sturmtalente Italiens, das in dieser Reihe auch noch seinen Platz haben wird.

Und der junge Stürmer liefert ab, glänzt mit einer Vorlage (Eigentor Lazio nach schönem Lauf zur Grundlinie mit anschliessendem Pass) und dem erlösenden 2-0 Siegtreffer zehn Minuten vor Schluss, den Mutu in klassischer Stürmermanier verwandelt.

Es sollte der erste Serie A-Treffer des Rumänen sein, jenem ersten Treffer sollten 102 weitere in der Serie A folgen.

Mutu erzielte in seiner ersten Veroneser Saison vier Treffer, konnte jedoch nicht dauerhaft an die überragende Leistung zu Saisonbeginn gegen Lazio anknüpfen, leitete allerdings gegen die SSC Napoli um den späteren Hellas-Coach Fabio Pecchia eine legendäres Ende ein, als man in den letzten fünf Spielminuten das Spiel noch drehen konnte und Hellas-Legende Adailton in der 90. Minute den Siegtreffer erzielte. Mutu, der damals schon die Nummer 10 trug, hatte allerdings noch nicht genug von jenem Spiel – er gerat kurz nach Spielende in eine kleine Rauferei mit Matuzalem, wofür beide die rote Karte sahen.

Seine erste Saison im Dress der Mastini bestritt der junge Rumäne trotz unkonstanter Leistungen als Stammspieler, zu seinen bereits angesprochenen Treffern gesellte sich noch ein Doppelpack gegen Bari am 18. Spieltag (Bitte unbedingt die rote Karte für Veronas GK Ferron beachten…), der eine „Torlos-Serie“ für den Heißsporn einleiten sollte. Insbesondere sein zweiter Treffer gegen Bari zeigte jedoch die ganze Klasse des Zehners, die sich in der folgenden Saison konstant zeigen sollte.

Am Ende der Saison konnte Verona den Klassenerhalt übrigens erst in den Play-Offs gegen Reggina sichern. Mutu, der seine Genialität bereits teilweise aufblitzen lassen konnte, entschied sich den Gialloblu treu zu bleiben und auf seine Leistungen aufzubauen. 

Die folgende Saison wird den Hellas-Fans wohl für immer in Erinnerung bleiben. Auch wegen des Abstiegs – vielmehr jedoch aufgrund des kometenhaften Aufstiegs des ungeliebten Vorstadtvereins, in dessen erster Serie A-Saison; fast bis in die Champions League.

Verkehrte Welt in Verona – was jedoch der endgültigen Etablierung Adrian Mutus im italienischen Fußball nicht im Wege stehen sollte.

Die Saison 2001-02 kann man mit gutem Gewissen als Mutus Durchbruch im europäischen Spitzenfußball bezeichnen.

Am Saisonende standen dem nun 23-jährigen Stürmer zwölf Saisontore sowie zwei Assists zu Buche, womit er in Alberto Malesanis Mannschaft das interne Torjägerranking deutlich vor Liechtensteins Legende Mario Frick anführte.

Doch Mutus Schritt zur gefundenen Konstanz spiegelt sich nicht nur in seinen, über die ganze Saison verteilt erzielten, Toren wider: Der rumänische Nationalspieler schaffte es, dem Spiel von Hellas endgültig seinen Stempel aufzudrücken, schnell wurde er so zum wichtigsten Spieler in Malesanis Team.

Dabei erzielte Mutu keine Abstaubertore wie ein klassischer Mittelstürmer, nein: Der Rumäne liebte es, seine starke Technik sowie seine Dribblings einzusetzen und auf die Abwehr los zu rennen, nur um dann nach innen zu ziehen und ins lange Eck zu schießen – ein Spielzug, den Mutu inzwischen quasi in Perfektion beherrschte und spätestens nach seinem zweiten Saisontreffer, einem absoluten Traumtor in Florenz, war er so in aller Munde – wohlgemerkt war dieser zweite Saisontreffer einfach mal eine etwas schönere Kopie seines ersten Saisontores gegen Perugia.

Und Mutu machte einfach weiter. Auch sein Facettenreichtum zeigte sich bereits eine Woche nach dem Florenz-Spiel, als er gegen Parma per Kopf traf. 

Eine Auffälligkeit Mutus während seiner Zeit im Bentegodi: Ob mit links, mit rechts, mit dem Kopf – Mutu traf in dieser Saison wie er wollte. Der 23-jährige bewies eindrucksvoll, dass er mit seinen technischen Fähigkeiten ein ganz Großer werden könne.

Diese These unterstrich Mutu auch nochmal in äußerst beeindruckender Art und Weise mit seinem letzten Treffer im Trikot der Gialloblu

Es ist der 33. Spieltag, zu Gast im Bentegodi ist die große AC Milan. 

Mutu gewinnt den Ball am Anstosspunkt, und dribbelt. Und dribbelt, und dribbelt. Auf der Hälfte des Weges Richtung Strafraum kommt mit Kakhaber Kaladze endlich der erste Milanista in seinen Weg, dem Mutu mit einer einfachen Körpertäuschung Knoten in die Beine spielt.

Nach dieser Körpertäuschung dribbelt der Veroneser Zehner jedoch nicht einfach weiter, sondern schießt den Ball aus 25 Metern mit seinem rechten Fuß in den Torwinkel – ein unfassbares Sahnetor, technisch perfekt, grandios in Entstehung und Abschluss. (Bitte hier entlang für Mutus letzten Treffer im Dress der Mastini, leider nur mit halbem Dribbling und ohne den vorherigen Ballgewinn.) Abbiati hat wahrscheinlich noch heute Albträume von dieser Rakete…

Wie bereits angedeutet, sollte dieses Wahnsinnstor Adrian Mutus Schlussakkord bei den Scaligeri sein, nach insgesamt 63 Spielen mit 17 Toren und 4 Assists. 

Trotz Mutus starken Leistungen musste Verona mit 39 Punkten Udinese den Vortritt lassen und den Gang in die Zweitklassigkeit antreten, was natürlich nicht Mutus Anspruch sein konnte. 

Er verließ das beschauliche Verona um ins noch beschaulichere, aber fußballerisch wesentlich erfolgreichere, Parma zu wechseln, wo er in einer Mannschaft mit den Ex-Veronesern Sébastien Frey und Emiliano Bonazzoli unter Ex-Hellas-Coach Cesare Prandelli am Saisonende Fünfter wurde und so im Europapokal spielen konnte.

Nach einer überragenden Saison in Parma mit ganzen 18 Saisontoren führte Mutus Weg weiter Richtung London, zum gerade von Roman Abramovich übernommenen Chelsea Football Club. 

Der Rest seiner Karriere ist Geschichte: jene handelt einerseits von positiven Drogen- und Dopingproben sowie von Gerichtsverhandlungen, andererseits aber auch von zahlreichen Toren und Erfolgen, insbesondere auf dem Apennin, wo er vor allem in Verona als begnadeter und einzigartiger Fußballer im Gedächtnis bleiben wird.

Und wer weiß – vielleicht führt Adrian Mutus weiterer Werdegang irgendwann sogar noch einmal ins Bentegodi

Denn: Mutu ist inzwischen Trainer des rumänischen Zweitligistens Craiova, coachte zuvor bereits die rumänische U21.

Nicht gänzlich ausgeschlossen also, dass ihn sein Weg später noch einmal nach Italien führt, – und damit dahin, wo seine großartige Karriere, geprägt von großartigen Toren und wahnwitzigen Verfehlungen, seinen Ursprung nahm.

tifoso del verona