ma perché il parma – marius

Wenn ich sage: Danke, Marcel Reif, dass du meine Passion für den italienischen Fußball entfacht hast, wirkt das wahrscheinlich „un po‘ esagerato“. Aber ich hab lange darüber nachgedacht, wie ich formuliere, wie es eigentlich angefangen hat. Und irgendwie ist es doch die beste Erklärung.

Als Hamburger Jung oder Deern hat man, wenn man zum Fußball kommt, in der Regel die Wahl: FC St. Pauli oder HSV. Nun, da ich zwar in Hamburg geboren, aber im nördlichen Speckgürtel aufgewachsen bin, lief das noch ein wenig anders ab. Der FCSP war dort bis zur Oberstufe, als Politik und/oder urbaner Lifestyle für Einige eine größere Rolle spielten, eigentlich ziemlich irrelevant. Als Kind hat man sich eher zwischen dem HSV, dem BVB und, in ganz seltenen Fällen, dem FC Bayern entschieden.

Was das jetzt eigentlich mit mir, Calcio und vor allem Parma zu tun hat? Naja, um 1996 herum habe ich angefangen, mich überhaupt für Fußball zu interessieren. Klassische Geschichte: Meine Eltern haben die EM geguckt, ich durfte mitschauen. Das Halbfinale zwischen England und Deutschland ist so meine erste richtige Erinnerung an Fußball im Fernsehen. Dann kam die Bundesliga. Ran. Und der HSV. Naja, jedenfalls bis es in der Schule irgendwie cooler war, BVB-Fan zu sein. Weil die waren ja Meister, hatten diesen Hitzfeld als Trainer, Chapuisat im Sturm und Stefan Klos, die wahre deutsche Nummer eins (lol) im Tor. Und sie hatten Lars Ricken. Der, der im Champions-Leage-Finale 1997 das entscheidende 3:1 gegen Juventus im Münchner Olympiastadion erzielte. „Ricken! Lupfen!“ Ihr kennt das. Immerhin die Brücke zu Marcel Reif habe ich wieder geschlagen.

Vor dem Spiel war mir Juventus nicht wirklich bekannt. Die Trikots waren aber cool und von Zidane hatte man irgendwie über den Vater, den Onkel oder den Opa schon mal was gehört. Marcel Reif aber, der hat, neben allen Lobliedern auf den BVB, viel über einen Spieler gesprochen, der gar nicht von Anfang an gespielt hat: Alessandro Del Piero. Das Supertalent. Das Genie. Die „bella figura“ in Menschengestalt. Das sind bestimmt keine Zitate. Aber in meinem Kopf schon.

Del Piero kam jedenfalls zur Halbzeit und das Spiel drohte nur wegen seiner Präsenz zu kippen. Und dann macht der ein Tor mit der Hacke. Sowas hatte ich bei Ran vorher noch nie gesehen. Die Bundesliga kannte damals ja vor allem Kampf. Es war jedenfalls so ein vielzitierter Kipppunkt für mich. Ab diesem Zeitpunkt, auch wenn Dortmund durch Ricken gewann und ich das als kleiner Junge sehr gefeiert habe, habe ich versucht, meine Eltern zu überreden, die Spiele mitgucken zu dürfen, wenn deutsche Mannschaften im Europacup gegen italienische angetreten sind. Und naja, dann kommen wir endlich mal zu Parma. Denn die haben nur fünf Monate nach München gegen genau diesen BVB gespielt.

Dortmund hatte, es sei dem U10-Ich, verziehen, irgendwie recht schnell an Faszination verloren. Sie hatten zwar einen italienischen Trainer, Nevio Scala. Dass der Parma-Legende ist, habe ich aber erst einige Jahre später gelernt. Die Trikots hatten aber nicht mehr Continental als Sponsor, sondern s. Oliver. „Was das soll?“ – habe ich in dem Alter überhaupt nicht verstanden. Dortmund spielt also gegen Parma. Mit diesen beiden Wahnsinnigen im Sturm: Hernan Crespo und Enrico Chiesa. Das Spiel der beiden war eine Augenweide. Mit Gigi Buffon im Tor und der Innenverteidigung aus Fabio Cannavaro und Lilian Thuram. Und mit dem Tardini, in dem Dinge wie die Tifo auf der Curva Nord passiert sind, die mir völlig neu waren. Ich war hooked.

Kleiner Sprung in den Mai 1999. Ich war noch ein wenig älter geworden und hab immer mehr Fußball sehen dürfen. Die WM 1998, neben der Champions League ab und zu auch den UEFA Cup. Klar: 1998/99 hat da ja auch Parma gespielt. Und ab und zu auch auf Eurosport die „Eurogoals“ oder im DSF „LaOla“. Letzteres war in der 3. Klasse auf jeden Fall DAS Ding. Da konnte man auf dem Bolzplatz nicht mehr nur Harald Spörl, Ratinho, Mehmet Scholl oder… naja Zidane und Ronaldo sein. Sondern auch Juan Sebastian Veron. Oder Crespo. Oder Chiesa. Oder Stefano Fiore. Fußballspielen konnte ich nie gut, aber Namen und Eigenschaften merken, das schien schon da irgendwie bei mir durch. Hilft jetzt im Job immer noch.

Das nächste Parma-Spiel, woran ich mich wirklich lebhaft erinnere, ist jedenfalls das UEFA-Cup-Finale von 1999. Alberto Malesanis Legendenelf gegen Olympique Marseille. Was bei Del Piero anfing, kulminierte dort quasi. Parma war dominant. Und wie. Nach 36 Minuten stand es schon 2:0 und ich war hin und weg. Dazu diese unfassbaren gelb-blauen Trikots.

Nächster kleiner Sprung: Wie das in der Pubertät so ist, kommt ein „Crush“ nach dem anderen. So war das bei mir auch mit internationalen Fußballvereinen. Ich hatte (habe noch) Trikots vom BVB, von Manchester United, von Arsenal, vom FC Barcelona, von Real Madrid, der AC Milan oder Juventus (Del Piero – naturalmente). Aber geblieben ist davon ansonsten nichts. Dass es bei Parma anders werden sollte, obwohl ich bis heute leider noch nicht einmal dort im Stadion war, hat, glaube ich, viel mit der Saison 2004/05 zu tun. Da war von der Herrlichkeit nämlich gar nicht mehr so viel da.

Parmalat war pleite und die tollen Spieler, mit denen ich mit Parma so gern bei FIFA oder im Fußball Manager gespielt hatte, waren quasi alle weg. Nicht nur Veron, Crespo und Chiesa. Nicht nur Buffon, Cannavaro und Thuram. Auch Adriano, Adrian Mutu, Sebastien Frey oder Matteo Ferrari. Die 2. Generation, die mich so richtig in ihren Bann gezogen hat. Geblieben waren, neben Alberto Gilardino freilich, eher Kämpfertypen: Marco Marchionni, Fabio Simplicio oder Mark Bresciano. Parma spielte gegen den Abstieg. Und in der Schule hieß es im Februar 2005: Ach, der VfB haut die doch in der Zwischenrunde des UEFA Cups locker raus. Diese Zeit hat uns, mich und den Verein, irgendwie zusammengeschweißt. Und dass Parma als nomineller Außenseiter den VfB zweimal eiskalt auskonterte und nach Verlängerung mit 2:0 gewann, war sensationell.

In der Folge gab es viele Tiefs und wenige Hochs. Bevor Tommaso Ghirardi den Verein, damals dann FC Parma, 2014 ein zweites Mal ruinierte, hatte dieser stronzo (pardon my french) eigentlich eine geile Truppe zusammengebaut. Mit Donadoni als Trainer, Bresciano und Simplicio, die eigentlich gar nicht mehr solche Kämpfer, sondern richtig gute Spieler waren, im Mittelfeld. Und Crespo hatte er ja auch zurückgeholt. Zu dieser Zeit war es dann auch einfacher, die Serie-A-Spiele wirklich regelmäßig auch über 90 Minuten zu verfolgen. Ob in Streams, in einem kleinen TV-Fenster auf einer großen Sportwettenseite oder ab und an halt bei Premiere bzw. Sky.

Heute kann ich das, zurückblickend, alles ganz gut reflektieren, glaube ich. Parma hat mich von Anfang an geflashed. Wie das bei Kindern mit Fußballbegeisterung so ist, erstmal über die Spieler. Und über die Trikots. Und später hat uns zusammengeschweißt, dass Parma eben kein reiner Gewinnerklub war. Die Neugründung in der 4. Liga konnte ich z.B. nur über Social Media und geschriebene Berichte verfolgen. Teilweise war mein Interesse da sogar noch höher, als wenn es am Wochenende gegen Torino oder Udinese in der Serie A gegangen wäre. 

Jetzt muss ich es, bitte Pandemie, nur noch mal ins Stadion schaffen. Am besten, bevor unser beliebter Hausmeister Krause (bisher: toller Typ!) das Tardini umbauen lässt. Dann müsste ich eigentlich Marcel Reif mitnehmen, um den Kreis endgültig zu schließen. Naja, vielleicht lieber nicht.

(Grazie Marius! Speriamo che puoi tornare a Parma al più presto possibile. Come Gigi.)