ma perché la juventus – vito

Solange ich denken kann, liebe ich den Fußball. Sobald ich laufen konnte, so erzählte man es mir, gab es mich nur in Kombination con il pallone. Eine Symbiose, die bis heute noch besteht.

Doch wie kommt ein kleines Kind zu seiner Squadra del cuore? Wird man damit geboren? Wird man dahin erzogen? Oder gibt es ein einschneidendes Erlebnis, welches einem vielleicht auf schicksalhafte Weise einen Wink gibt.

Kurze Zusammenfassung: Mein Opa mütterlicherseits war InterFan (jeder Mensch hat Fehler – Gott habe ihn selig), seine drei Söhne stritten sich zuhause um die Vorherrschaft in Mailand. Zweivon Ihnen auf Seiten der Rossoneri und einer auf Seiten der Nerazzurri. Meine Mutter sympathisiert mit Inter (wohl eher aus Respekt vor Ihrem Vater). Mein Opa väterlicherseits war BolognaFan und feierte die wohl schönsten Erfolge des Vereins in seiner Kindheit in den späten 30er und Anfang der 40er Jahre. Seine zwei Söhne könnten dagegen unterschiedlicher kaum sein: Der eine muss wohl der einzige Italiener sein, der absolut kein Interesse an Fußball hat und der andere (mein Vater) verliebte sich in den Sport – aber nie wirklich in eine bestimmte Mannschaft.

Doch warum liste ich jetzt hier meinen halben Stammbaum auf? Und vergesse dabei gar die

Matriarchinnen“: Nonna Paola und Nonna Maria. Zwei elegante, starke und liebende Damen, die für mich immer eine Inspiration und ein Symbol von Liebe waren.

Waren sie Fußballfans? Nicht wirklich.

Warum erzähle ich das? Weil ich glaube, dass meine Bewunderung für diese zwei Damen mich zu meinem Lieblingsverein führte. Drei Worte: Eleganz, Stärke und Liebe.

Diese Begriffe treffen nicht nur auf meine Nonnas zu. Sie treffen auch auf eine andere Person zu, die mich dann endgültig dazu brachte, mich in diesen Sport und somit auch in meinen Verein zu verlieben. Il Divin Codino – Roberto Baggio.

Meine ersten Erinnerungen an den Fußball sind Tore von Baggio gegen Borussia Dortmund im schwarzweißen Trikot mit der Nummer 10 der alten Dame aus Turin. Ich glaube am Anfang

verliebte ich mich eher in den Spieler, als in die Mannschaft. Nachher wurde daraus mehr.

Irgendetwas mystisches umgab dieses Trikot. Ich wurde älter und Roberto Baggio verließ „la fidanzata d’Italia Richtung Milano sponda Rossonera. Ein junger Spieler sollte ihn ersetzenGleiche Herkunft, ähnlicher Spielertyp, ebenso umgeben von einer besonderen Aura. Sein Name war Alessandro Del Piero.

Ich bemerkte immer mehr, dass diese mystische und besondere Aura eventuell eher dem Verein zuzuschreiben war und nicht nur einem einzelnen Spieler. Mittlerweile war ich in einem Alter, welches mir erlaubte, differenzierter an die Sache ranzugehen. Also saugte ich alles in mich auf, um zu verstehen, was mich so anzog.

Hier kommt mein Vater ins Spiel, der wie schon erwähnt kein wirklicher Fan einer bestimmten Mannschaft war. Was aber nicht bedeutete, dass er den Fußball nicht liebt. Im Gegenteil. Er liebt ihn jedoch anders als die meisten: Er liebt ihn in seiner Gesamtheit. Mein Vater liebt eher das Spiel und nicht nur eine Mannschaft. Sein Wissen über den Fußball erschien mir damals wie heute grenzenlos. Er erzählte mir also von Spielern wie Scirea, Bettega, Cabrini, Boniperti, Sivori, Charles, Gentile, Platini und Dino Zoff. Er erzählte mir aber auch von Gianni Agnelli – oder wie erund auch Millionen andere Italiener ihn ehrenvoll nanntenL’avvocato. Diese Persönlichkeit reizte mich sehr. Und in darauffolgenden Jahren würde ich diesen Namen und diese Familie immer mehr studieren.

Aber ohne es zu verstehen, war es um mich schon geschehen: Ich war wahrscheinlich zum ersten mal verliebt – in eine Dame. Und wie das Schicksal so wollte, traf ich schon sehr früh meine Dame fürs Leben.

Oft kann man nicht beschreiben, warum man sich in jemanden verliebt. Nun, ich kann es ganz gut. Drei Worte: Eleganz, Stärke und Liebe. Eleganz verkörpert durch Giovanni Agnelli, der ungekrönte König Italiens, wie er oft hierzulande genannt wurde. Ich verliebte mich in die Stärke, die die Vereinsführung zeigte, als man Anfang der 90er wach wurde und feststellte, dass man vom AC Milan überholt und abhängt wurde. Prompt wurde ein Umbruch beschlossen und durchgezogen. Mit Stärke.

Die Liebe, die diesen Verein umgibt, ist jedoch etwas, was schwer zu beschreiben ist. Es ist nicht diese Liebe, die irgendwann alltäglich wird und Teil deines Lebens ist. Es ist eher diese Liebe, die schon an der Grenze zum toxischen ist. Toxisch? Wie kann ein Fan von Juventus sowas sagen, wo sie doch jedes Jahr was zu Feiern haben? Und ich sage euch, es ist verdammt schön zu gewinnen und ich bin sehr dankbar dafür. Aber das Gewinnen, ist nicht das, wofür ich meine Dame liebe. Ich liebe meine Dame, weil ich mit ihr gegen den Rest der Welt spiele. Du und ich gegen den Rest der Welt (oder zumindest Italien).

Keine andere Mannschaft spaltet das Land so sehr wie Juventus. Für alle anderen Mannschaften in Italien, kann es eine ganze Saison retten, wenn sie Juventus schlagen. Juventus füllt jedes Stadion, ob im Süden oder Norden Italiens – außer vielleicht das eigene – aber das ist eine andere Baustelle.

Du liest diesen Beitrag gerade als Fan von Milan, Inter, Napoli oder Fiorentina? Welcher Verein bringt dich am meisten zu kochen? Gegen wen würdest du am liebsten gewinnen? Richtig, Juventus! Es ist etwas masochistisch, ein Juventus Fan zu sein. Gewinnt Juve, wurde der Schiedsrichter bestochen. Verliert Juve, zeigt es, dass Juve in allen anderen Spielen bestochen hat. Wie ihr seht, lässt diese wundervolle Dame auch bei anderen Menschen das rationale Denken aussetzen. Und auch dafür liebe ich meine Dame.

Als JuveFan ist man mit vielen Dingen konfrontiert. Erfolgsfan, Betrüger und eine ganze Medienlandschaft, die genau mit diesen Dingen spielt. Denn nichts klickt besser als eine schwammige Headline für einen Post über Juve unter dem 50% der Anti-Juve-Fraktion kommentiert und 50% der italienischen Bevölkerung, die es mit Juve hält. Also musste ich früh lernen, hier genau zu differenzieren. Das war ein Learning, welches mir später in allen Situationen des Lebens weitergeholfen hat. Auch dafür bin ich meiner alten Dame sehr dankbar. Sie hat mich zu einem besonneneren Menschen gemacht.

Die größte Lehrstunde war das Jahr 2006. Juve war gefallen, vermutlich an der eigenen Überheblichkeit der Leute, die sie führten. Glaube ich, dass Juve im CalciopoliSkandalunschuldig war? Nein! Glaube ich, dass nur eine Mannschaft für etwas bezahlt hat, was bewiesenermaßen alle gemacht haben? Ja! Das Gericht hat entschieden, dass die Meisterschaften nicht verfälscht worden sind – trotzdem hat das Sportgericht entschieden, eine Meisterschaft an Inter zu vergeben. Aber auch das ist eine Geschichte – zu der ich mich gerne mal detaillierter äußern werde.

Es lief also der Sommer 2006. Italien war gerade Weltmeister geworden und wir JuveFans wussten nicht, was aus unserer Mannschaft wurde. Serie C, Serie B oder ein Verbleib in der Serie A – alles stand im Raum. Doch als wir es erfahren hatten, akzeptierten wir es. Es spielte keine Rolle für mich, in welcher Liga wir spielten. Mit dir gehe ich durch dick und dünn“ – Meine Liebe wurde nur noch größer, speziell nach dem Satz meines Kapitäns Alessandro Del Piero: Un cavaliere non lascia mai la sua signora. Man, habe ich diesen Mann geliebt und mit ihm noch die anderen Weltstars, die sich dazu entschieden zu bleiben. Pavel Nedved, David Trezeguet, Gianluigi Buffon und Mauro German Camoranesi. Und so starteten wir eine Tournee durch Italien – denn so fühlte es sich an. Eine MarketingTour durch Italien.

Doch etwas war anders: Dadurch, dass andere gerade feierten, während wir auf Tour waren, wurde Juve mit anderen Augen gesehen. Denn Verlierer sind sympathisch und ich wollte lieber gewinnen als sympathisch sein. Das war der Augenblick in dem ich die berühmten Worte von Giampiero Boniperti wirklich anfing zu verstehen Vincere non è importante, ma è l’unica cosa che conta. Das war die DNA, die Juve immer antrieb: Den Sieg mehr zu wollen als alle anderen. Das sah ich einfach nicht mehr. Es spielt keine Rolle, wenn man mal nicht gewinnt. Man kann immer mal jemanden unterlegen sein – aber man muss es trotzdem immer wollen und sich nie zufriedengeben und als ich das nicht mehr sah, wurde ich ungeduldig. Es dauerte Jahre.

Juventus stieg zwar auf und schaffte es schnell wieder zurück in die Champions League, aber dieser unbändige Siegeswille war nicht mehr da. Man war gewöhnlich geworden, man war gar sympathisch geworden. Und so folgten einige sympathische Jahre, in denen ein Sieg gegen Inter eine ganze Saison retten konnte und man fleißig Genugtuung in ganz Italien verteilte. Inzwischen war jedoch wieder ein Agnelli an der Spitze des Vereins. Mit Andrea Agnelli startete man eine neue Ära, in der eins wichtiger war als alles andere: Der Wille jedes Spiel zu gewinnen.

Contro tutto e tutti. Ogni giorni di più.

(Grazie per questa bellissima storietta, Vito!)