hellas verona story – #due

Le origini sportive di una vecchia rivalità

Das Veneto, oder insbesondere die Stadt Verona im Einzelnen, hat eine sehr ereignisreiche und wechselhafte Geschichte, die in dieser Story noch einige Male zur Sprache kommen wird. Ich habe sie im Rahmen von Beiträgen auf mentalità calcio einige Male angeschnitten, beispielsweise hier oder auch hier. Alles zu erzählen, das ist gar nicht möglich, und nein: Das überlasse ich dann doch lieber Historikern und anderen Geschichtsexperten. „Anschneiden“ muss trotzdem sein, zu relevant sind so manche Anekdoten und Hintergründe für das Verständnis von Hellas Verona.

Die wechselhaften Besitz- und Herrschaftsverhältnisse der Stadt Verona führten zu heute noch bestehenden Rivalitäten mit den Nachbarstädten des Veneto, ganz besonders bekanntlich mit der Stadt Vicenza. Die zugehörige Provincia di Vicenza grenzt im Osten an die Provinz Verona, teilt sich mit der Provincia di Verona sowie der westlich gelegenen Provincia di Treviso unvergleichliche und wunderschöne Landschaftsbilder, so ragen beispielsweise unzählige Zypressen in hügeligen Landschaften in den Himmel empor. Absolut charakteristisch für diesen Teil des Veneto, die Selbstdarstellung einer Region, die mir jedes Mal aufs Neue Gänsehaut bereitet, wenn ich aus dem ebenfalls wunderschönen, sanften Dunkel der Berge des Trentino den Brenner hinab in die Provinz Verona komme.

Doch, trotz der verbindenden Schönheit, sowie der für Außenstehende ziemlich identischen Kultur, bestehen Veroneser und Vicentiner auf die jeweiligen Unterschiede und die damit verbundene Abgrenzung zueinander – und ja, obwohl die beiden Städte nicht einmal 60 Kilometer entfernt voneinander liegen, sind die Unterschiede bereits im jeweiligen Dialekt zu erkennen. Lokale Dialekte haben bekanntlich eine enorm identitätsstiftende Kraft für die jeweiligen Bevölkerungsgruppen, auch im Veneto sind sie wichtiges Kulturgut.

Das Veneto hat eine sehr alte eigene Sprache, wahlweise Vèneto oder auch Léngoa vèneta genannt. Offiziell zu den norditalienischen Dialekten zählend, wird der Dialekt aufgrund der gravierenden Unterschiede zur italienischen Standardsprache in den Sprachwissenschaften oftmals als eigenständige Sprache betrachtet. Zurecht, auch ich als Laie kann das nur bestätigen – venetische Texte, egal in welchem lokalen Dialekt, haben für den Italienisch-Fremdsprachler (und wohl auch für den Muttersprachler) nur wenig bis rein gar nichts mit dem Standarditalienischen am Hut. Seit einigen Jahren wird die Sprache auch von der Lokalregierung wieder aktiv gefördert, zumindest in Verona ist die Sprache heute sehr verbreitet.

Die lokalen, sprachlichen Unterschiede zwischen den Einwohnern der Provinzen und Städte Verona und Vicenza haben ebenfalls wiederum ihren historischen Ursprung. Diese Unterschiede liegen unter anderem in vielen entzweienden Ereignissen sowie den angesprochenen, wechselnden Herrschaftsverhältnissen.

Ein Beispiel gefällig? – Während Verona zu österreichischen Herrschaftszeiten (Stichwort: Königreich Lombardo-Veneto) eines der Machtzentren von selbigem gewesen war; sogar als Teil des Quadrilatero, des sogenannten oberitalienischen Festungsvierecks, bestehend aus den Städten Peschiera del Garda, Mantova, Legnago und Verona, der „treuen Verteidigung“ diente; tobten in Vicenza erbitterte Kämpfe gegen die habsburgische Herrschaft. Die Stadt galt nicht nur als, sondern war auch tatsächlich eines der Zentren der Rebellion gegen eben jene Herrschaftsverhältnisse.

Diese Unterschiede und Gegensätze, oftmals auch politischer Natur, ziehen sich wie ein roter Faden durch die jeweiligen, oftmals zusammenhängenden, so traditionsreichen Stadtgeschichten und ziehen sich somit auch wie ein roter Faden der Rivalität durch die Geschichte von Hellas Verona.

Wir springen ins Jahr 1906. Drei Jahre nach der Gründung spielt Hellas Verona gegen Mannschaften der benachbarten Städte und Orte des Veneto. Es gibt keinen Ligabetrieb, es gibt lediglich amichevole, sprich: Freundschaftsspiele. Der Begriff Freundschaftsspiele suggeriert, nicht unbedingt überraschend, schon in der damaligen Zeit durchaus falsche Bewertungen und Gefühle in Hinblick auf diese Paarungen. Vielmehr knüpfen diese Spiele schon damals an jahrhundertealte Traditionen der Ablehnung anderer Städte und Provinzen an, so auch an jenem Morgen des 29. April 1906.

Es ist ein feuchter, regnerischer Aprilmorgen, wir befinden uns in Vicenza. An diesem 29. April 1906 findet hier das Concorso Ginnastico di Vicenza statt, ein Turnwettbewerb, der erstmals auch eine neue Sportdisziplin beherbergt: Fußball. Neben den Gastgebern tritt noch eine Auswahl aus Treviso an, zudem nimmt die Associazione Calcio Hellas aus Verona teil.

Es geht tatsächlich auch in diesem Jahr 1906 schon Elf gegen Elf. Wenngleich die Trikots – oder besser gesagt: die eher lumpenartigen T-Shirts – die, zumindest auf Seiten von Hellas, extra für diesen Anlass einheitlich in schwarz und weiß gehalten sind; die Spieler Schnurrbärte haben, die Zuschauer – männlich und weiblich – Hüte tragen und es lediglich imaginäre Begrenzungen des Spielfelds gibt; erinnert diese ganze Angelegenheit in seinem noch relativ embryoartigen Stadium teilweise durchaus an unseren heutigen calcio.

Die elf Spieler der Mastini sind bereits am frühen Morgen in Vicenza angekommen, allesamt Jungs aus der Veroneser Mittelschicht, die soeben mal locker flockig mit Fahrrädern von Verona nach Vicenza fuhren, um an diesem Wettbewerb teilzunehmen.

Und auch die Art des Fußballs ist in jenen Zeiten ähnlich unkonventionell wie der Veroneser Anreiseweg: Es gibt keine technischen Finessen, eher blindes Drauflosrennen, ohne Struktur – es fallen nur wenige Tore. Und so ist auch die Veroneser Reisegruppe der Associazione Calcio Hellas eher darauf bedacht, Gegentore zu verhindern und den Gegner möglichst weit weg des eigenen Tores zu halten.

Der Gegner, das ist in diesem Falle die Associazione del Calcio in Vicenza, bereits im Jahre 1902 gegründet, ebenfalls von einem Lehrer und einer Gruppe von Schülern. Und der Gegner hat zumindest schon „seine“ Farben an: Alle elf Spieler tragen rot-weiße „Trikots“. Doch nicht nur farblich-korrekte Trikots hat der Rivale den Veronesern voraus, nein, Vicenza nimmt sogar schon an strukturierten Wettbewerben teil – und ist in jenem Jahr amtierender Gewinner des ersten Campionato Veneto überhaupt.

Die Mannschaft Veronas hat nach den ersten Jahren des Bestehens in diesem ersten Turnier bereits ein etwas anderes Gesicht, so ist der frühere Torhüter, der Graf Fratta Pasini, inzwischen Teil der Verteidigung, während sich in den zahlreichen „Trainings“ auf asphaltierten Plätzen in der Stadt in den Monaten zuvor weitere Spieler auf ihren ersten Spielpositionen festsetzen konnten.

Doch schnell kristallisiert sich in den ersten Minuten heraus, dass jenes Training nicht genug gewesen ist. Die Biancorossi sind diszipliniert und fußballerisch sowieso weit überlegen; man merkt den Veronesern die nicht vorhandene Spielpraxis an. Folgerichtig gehen die Vicentini innerhalb weniger Minuten mit 2-0 in Führung, doch die AC Hellas gibt sich nicht auf und kämpft sich zurück ins Spiel. Der Lohn: „Mittelfeldspieler“ Crespi, der inzwischen das Team als Kapitän anführt, kann mit einem gewieften Schuss den Anschlusstreffer erzielen. Mehr ist leider nicht mehr drin für tapfer kämpfende Veroneser, das erste Derby del Veneto geht auf gegnerischem Boden mit 2-1 verloren. Unfassbare (Schaden-)Freude bei den Rivalen aus Vicenza, insbesondere bei den zahlreich anwesenden Zuschauern.

AC Hellas bestreitet im Anschluss ein weiteres Spiel gegen die Unione Sport Treviso, die sich weitaus schwächer als die Vicentini präsentieren. Allerdings hat Verona nur wenig Glück vor dem gegnerischen Tor, so endet das zweite Spiel des 29. April 1906 – und somit, wenn man denn so will, das zweite „Pflichtspiel“ der Vereinsgeschichte – folgerichtig mit einem 0-0.

Doch die Veroneser, so ist überliefert, waren mit ihrem ersten Turnier sehr zufrieden. Es war der „Kickstart“ für die weitere Vereinsgeschichte – und zugleich die Möglichkeit für die Einwohner der Stadt Verona, die so lebendige Rivalität mit dem verhassten Vicenza weiterhin ausleben zu können, in diesem Falle im Rahmen sportlicher Wettkämpfe. Und im Rahmen eines Spiels, das bis heute mindestens genauso identitätsstiftend wie lokale Dialekte sein kann – beziehungsweise nein, in Verona tatsächlich ist. Il calcio.

Bis zum nächsten Aufeinandertreffen der beiden alten Rivalen vergehen einige Jahre. In jenem Jahr 1910, in der Saison 1910-11, nimmt Verona erstmals am organisierten Spielbetrieb teil: Prima Categoria heißt die Spielklasse, neben Verona nehmen Vicenza, Bologna und Venezia in der Gruppe Veneto-Emilia teil. Die Besonderheit: Bei dieser Gruppe handelt es sich um eine „Testgruppe“, die Hauptgruppe besteht aus ganzen 9 Mannschaften, die allesamt aus dem Piemonte (Serienmeister Pro Vercelli, Juventus, Torino und Piemonte F.C.), aus der Lombardia (US Milanese, Internazionale, Milan) sowie aus Liguria (Genoa, Sampdoria-Vorgängerverein Andrea Doria) stammen.

Der Clou: Die endgültige Meisterschaft entscheidet sich in einem Finale zwischen den Erstplatzierten der beiden Gruppen. Ein noch relatives vages, unorganisiertes, nicht unbedingt vor Fairness triefendes Konstrukt – Pro Vercelli, die damals bestimmende Mannschaft dieser Ära, konnte letztendlich sich im Finale gegen Vicenza deutlich mit 3-0 und 2-1 durchsetzen.

Viele Jahre später werden aus der Prima Categoria, nachdem diese immer mehr Girone erhalten hat, dann teilweise jeweils mit der gleichen Anzahl von Mannschaften, die Spielklassen Lega Nord und Lega Sud, die wiederum untereinander aufgeteilt werden. Dieser Abschnitt wird im weiteren Verlaufe dieser Story ebenfalls noch ein Thema werden, welches von mentalità calcio behandelt wird.

Für Verona allerdings enden auch die Partien im ersten Jahr der Teilnahme an der Prima Categoria gegen den Rivalen nicht erfolgreich. Nach einer 0-2 Heimniederlage in Verona hagelt es in Vicenza gar eine 7-2 Niederlage. Bis heute ist dieses Resultat die höchste Veroneser Niederlage gegen den erbitterten Rivalen, der letztendlich am 03. Dezember 1911 das erste Mal besiegt werden kann, ein 2-1 Heimsieg in Verona.

Bis heute sollten in den nächsten 111 Jahren 35 weitere Siege gegen Vicenza folgen. Doch der weitere Verlauf dieser Rivalität, wie auch die Ursprünge und Verläufe anderer Rivalitäten, wird im Rahmen der Hellas Verona Story an anderweitiger Stelle nochmals tiefergehend behandelt werden. Hier und heute, an jenem 29. April des Jahres 1906, soll es sich lediglich um die sportlichen Ursprünge dieser jahrhundertealten Rivalität mit den verhassten Vicentini drehen: Le origini sportive di una vecchia rivalità.

tifoso del verona