hellas verona story – #speciale – intervista con Hans-Peter Briegel

In Deutschland ist er als die „Walz aus der Pfalz“ bekannt, als Europameister 1980, Vize-Weltmeister 1982 und Vize-Weltmeister 1986 – in Italien hingegen ist er il Panzer, il tedesco, der 1988 mit Sampdoria die Coppa Italia gewinnen konnte. Doch ein bestimmter Erfolg prägt die Geschichte des Spielers wohl wie kein anderer: Der Gewinn des Scudetto im Jahre 1985 mit Hellas Verona. 

Die Rede ist natürlich von Hans-Peter Briegel – für mentalità calcio, insbesondere natürlich für mich, war es eine riesige Ehre, ein Interview mit dieser Vereinslegende der Gialloblù führen zu können.

 

mentalità calcio: Herr Briegel, wenn ich das Datum 12. Mai 1985 nenne – was weckt das für Erinnerungen?

Hans-Peter Briegel: Da haben wir die Meisterschaft gewonnen, in Bergamo. Ein Unentschieden hat damals gereicht, wir haben in der zweiten Hälfte das Tor gemacht. Das war natürlich etwas ganz Besonderes. Ich, nein – niemand hat es für möglich gehalten, dass wir Meister werden. Wir hatten 17 Spieler, ich glaube nur 15 wurden davon eingesetzt. Wir hatten allerdings viele Spieler, die auf mehreren Positionen spielen konnten. 

Sie haben unter Coach Bagnoli ebenfalls auf verschiedenen Positionen gespielt…

Richtig, ich habe vorwiegend zentral im Mittelfeld gespielt, vor der Abwehr, auf der Sechs – wie meine Rückennummer. In manchen Spielen habe ich aber auch vorne gespielt, weil mal Preben Elkjær verletzt war oder auch jemand anderes. Wir hatten ja nur zwei Stürmer im Kader….

Preben Elkjær Larsen und Giuseppe Galderisi…

Genau. In einem Spiel waren beide verletzt, da habe ich dann im Sturm gespielt, daran kann ich mich gut erinnern. Ich meine, dass das sogar gegen Sampdoria gewesen ist, ich bin mir allerdings nicht mehr ganz sicher.

Wann ist die Mannschaft denn damals nach Bergamo gereist? Ich kenne die ganzen Videos und Bilder von diesem Tag, auf der Autobahn A4, vorbei am Lago di Garda von Verona nach Bergamo, glich es an diesem Tage ja einer Völkerwanderung. Haben Sie diesen Menschenauflauf miterlebt?

Nein, das haben wir eigentlich nicht miterlebt. Wir waren am Tag zuvor bereits im Hotel, nach Ankunft in diesem sind wir irgendwo zum Essen gefahren und abends waren wir im TV eingeladen, ähnlich dem „Aktuellen Sportstudio“.  Also nein, da haben wir wenig mitbekommen. Aber als wir nachts nach Hause gefahren sind, da war die Hölle los. Da war noch alles voll, zumindest in Verona. Zigtausende Menschen haben uns erwartet.

Die Tage danach waren sicherlich ebenfalls unfassbar. Eine Woche nach dem Triumph in Bergamo stand noch das Heimspiel gegen Avellino an, ein 4-2 Sieg. Wie haben Sie die Atmosphäre an jenem Tag empfunden? Waren die Tage zuvor überhaupt noch zu toppen?

Die waren eigentlich nicht zu toppen, nein (schmunzelt). Die Straßen waren gelb-blau angemalt, Pappkartons waren überall, das war wie beim Rosenmontagsumzug in Mainz: Da waren Zehntausende auf der Straße. Das war der Wahnsinn, was da veranstaltet wurde. 

Und ich weiß auch nur noch – das darf man heute eigentlich gar nicht mehr sagen, nachdem der Unfall in Ramstein war – die Frecce Tricolori, die sind quasi ins Stadion reingeflogen und haben ihre Übungen gemacht. 

Ich habe die Bilder gesehen, ja. Wahnsinn.

Mein Vater, der war damals noch dabei, der hat nur noch erzählt, wie sich alle geduckt haben. Die sind tatsächlich richtig ins Stadion reingeflogen. 

Ich selbst habe das allerdings gar nicht mitgekriegt. Wir haben uns auf das Spiel vorbereitet – und damals, da hast du dich noch innen im Stadion warmgemacht. In den Katakomben hatten wir da richtige lange Räume für, da konntest du auch lange Läufe machen, das war damals üblich so.

Im Sommer zuvor, als Sie von Kaiserslautern nach Verona wechselten, hätten Sie eigentlich in Neapel landen sollen, die hatten dann allerdings die kurzfristige Möglichkeit Maradona zu holen und entschieden sich für den Argentinier. Wie kam der Kontakt zu Hellas Verona überhaupt zu Stande?

Der kam zwei Wochen später über einen Mittelsmann aus der Schweiz zu Stande. Ich war bereits in Frankfurt im Hotel, zur Vorbereitung auf die EM, als drei Leute aus Verona kamen. Wir haben dann im Hotel gesprochen. Einen Manager hatte ich in dem Sinne nie, ich habe immer für mich selbst verhandelt. Die gingen dann allerdings wieder nach Hause: Es sei nicht möglich, meine Vorstellungen zu erfüllen, sowas in der Art. Das „Okay“ von Kaiserslautern hatte ich ja bereits, um für eine gewisse Summe gehen zu können, das war schon klar. 

Wir sind dann weiter ins Hotel nach Paris, zur EM. Nach dem ersten Gruppenspiel riefen sie mich dann an: „Wir kommen. Wir machen den Vertrag.“

Und im ersten Spiel der Serie A-Saison sind Sie dann ausgerechnet auf jenes Napoli getroffen…

Ja, genau. Ich habe allerdings zuvor in dem Hotel noch den Kalle Rummenigge gefragt, ob er nicht unterstützen könne, der sprach bereits italienisch. Der hat dann den Anwalt aus München besorgt, der auch seinen eigenen Vertrag mit Inter Mailand gemacht hatte. Den habe ich dann auch genommen. Aber zu Ihrer Frage…

Sie erzielten in diesem Spiel sogar den Führungstreffer gegen Napoli, haben Ihren Gegenspieler Maradona komplett aus dem Spiel genommen. Wie haben Sie denn Ihre Anfangszeit in Verona überhaupt erlebt? Die Serie A war damals ja das absolute Nonplusultra im europäischen Fußball, mit Platini, Rummenigge, Altobelli, Maradona oder auch Paolo Rossi, …

Zico, Sócrates und so weiter. 

Genau. Wie war das für Sie in diese Liga zu kommen, war das eine krasse Umstellung für Sie?

Also, ich bin direkt sehr gut aufgenommen worden. Das größte Handicap war eben, dass ich nicht gleich gut italienisch sprechen konnte. Das habe ich dann nach und nach so gelernt. Vielleicht war das dann aber auch ein Vorteil, dass ich nicht gleich alle Zeitungen lesen konnte und so weiter, das war im ersten halben Jahr sicherlich vorteilhaft.

Ich habe mich auf mein Training und auf die Spiele konzentriert, hatte manchmal noch einen Dolmetscher an meiner Seite, einen viel zu früh verstorbenen Freund aus Verona. Der ist vielleicht zwei, drei Mal mit zum Trainer, das war’s dann aber auch. 

Bagnoli meinte nur zu mir, ich wüsste ohnehin, wie ich zu spielen habe, ich hätte die Erfahrung und so weiter. Der sagte mir eigentlich nur die Position, die ich spielen sollte – und das habe ich dann im Großen und Ganzen einfach auch gemacht.

Der Trainer ist ein gutes Stichwort: Osvaldo Bagnoli. Sie haben den untypischen kleinen Kader ja bereits angesprochen. Was allerdings ebenfalls untypisch war, insbesondere aus heutiger Sicht: Bagnoli hatte keinen Trainerstab. Es gab nur noch einen weiteren Trainer…

Genau, der war für die Torhüter zuständig.

Was ist Osvaldo Bagnoli denn überhaupt für ein Typ Mensch gewesen?

Er war ein ruhiger, zurückhaltender und stiller Mensch. Manchmal sagte er nicht mal „Guten Morgen“, wenn er in unsere Kabine kam. Der war immer am überlegen. Und im Nachhinein habe ich dann auch kapiert, wieso das so war: Der hat 17 Spieler trainiert, im Prinzip allein. 

Bei Kaiserslautern hatten wir zuvor immer zwei oder auch drei Trainer für die Mannschaft – Bagnoli hat das allein gemacht. Lassen wir die Torhüter außen vor: Bagnoli hat 15 Spieler allein trainiert. Vor allem haben wir dann jeden Tag – manchmal auch zwei Mal am Tag – zweieinhalb bis drei Stunden trainiert. Das war für mich schon schwierig, diese Trainingseinheiten waren für mich wirklich sehr schwierig. Ich war solch langes und intensives Training aus Kaiserslautern nicht gewohnt, das war in Verona schon ein Unterschied. 

Aber in Verona habe ich das erste Mal in meinem Leben den rechten Fuß trainiert. Am Ende konnte ich mit rechts besser flanken als mit links, zumindest präziser. Da hast du im Training halt echt erstmal anderthalb Stunden von rechts Flanken geschlagen, anschließend von links. So wurden beide Füße trainiert.

Ich habe Sie leider nie spielen sehen, aber ich glaube Bagnoli hat Sie allgemein offensiver als in Kaiserslautern spielen lassen, ist das korrekt?

Nein, das ist nicht richtig. Ich habe in Kaiserslautern zum Schluss hin unter Feldkamp, beispielsweise bei unserem 5-0-Sieg gegen Real Madrid, auf der Zehn gespielt. Da war der Camacho mein Gegenspieler. Deshalb haben wir glaube ich auch 5-0 gewonnen, der ist mir überall hin hinterher gelaufen – so waren viele Räume offen und frei. Also ja, ich habe die letzten Jahre in Kaiserslautern bereits offensiv im Mittelfeld gespielt. Oder, eigentlich habe ich im Prinzip alles gespielt. Eigentlich habe ich in Kaiserslautern sogar als Stürmer angefangen…

Was ist denn generell, abgesehen vom Scudetto, Ihre unglaublichste Erinnerung an Ihre Zeit in Verona? Was ist das Prägendste für Sie gewesen? Die Menschen, das Umfeld?

Mir hat das alles toll gefallen. Der Trainer hatte noch gesagt, dass wir nicht nach Bardolino ziehen sollten. Ich habe allerdings in Bardolino direkt am Gardasee gewohnt, und der Elkjær Larsen ebenfalls. Wir waren quasi Nachbarn, Reihenhäuser nebeneinander. Und ja, der Trainer hat zuvor gesagt, dass es im Winter sehr einsam dort sei – aber ich war ja ohnehin so ein bisschen ein Landei. Und das war ganz toll dort, mit dem Blick auf den See. 

Dorthin zu gehen war das Schönste, was ich machen konnte. Sonst wäre ich irgendwo in Verona in einer Wohnung gewesen. 

Das kann ich gut nachvollziehen. Ich kenne die Gegend um Bardolino und Peschiera ebenfalls sehr gut. 

Damals war allgemein noch nicht so viel los. In der Zeit wo wirklich viel los war, da waren wir nicht vor Ort. Da waren wir dann im Urlaub, später im August dann vier Wochen im Trainingslager, da hast du dann nicht so viel davon mitbekommen. Heute ist mindestens das Doppelte los, im Vergleich zu früher.

Gardasee im August, das meide ich ebenfalls…

Allein für fünf Kilometer brauchst du da heute anderthalb Stunden, zu gewissen Zeiten. Das war damals einfacher. Aber ich kenne auch heute noch die Schleichwege, von daher weiß ich heute noch ganz genau, wie ich wo hinfahren muss, wenn ich mal da bin. 

Wie sieht denn allgemein der Kontakt mit den ehemaligen Mitspielern der Meistermannschaft heute aus? 

Wir haben eine WhatsApp-Gruppe, da sind wir alle drin. Da sind auch einige Spieler zusätzlich dabei, die im zweiten Jahr dann dazugekommen sind. Wir sind insgesamt also so zwanzig Mann. 

Der Austausch ist also immer noch sehr rege. 

Ja, genau. Wir wissen alles übereinander. Zumindest fast alles (lacht). Wir waren von Anfang an einfach eine eingeschworene Truppe. Viele Spieler waren zuvor bei ihren Vereinen nur Ersatz, bei Juventus oder Inter oder so, die sind erst viel später dann groß rausgekommen. 

Das Jahr nach dem Scudetto war dann weniger erfolgreich. 

Ja, da sind natürlich viele Spieler weggegangen, zu den größeren Vereinen. Das war dann einfach etwas schwieriger. 

Als Titelverteidiger nach einem solchen Überraschungserfolg ist es wohl auch ohnehin nochmal schwieriger. Zudem ist Fanna zu Inter gewechselt, …

Marangon war weg, auch Torhüter Garella. Der ist dann Meister geworden mit Neapel. Das war schon eine ganz schwierige Kiste. Wir haben die Saison angefangen gegen Lecce, da war ich noch verletzt auf der Bank gesessen. Und da haben wir schon nur 2-2 gespielt, da ging es dann schon los. Lecce, das war ein Aufsteiger. Wir haben uns dann die ganze Saison irgendwie so durchgequält. Ich weiß gar nicht wievielter wir dann am Ende geworden sind, Achter oder Neunter oder so. Das war uns schon schnell klar, dass wir nicht mehr vorne mitspielen würden, spätestens nach fünf oder sechs Spieltagen. 

In der Meistersaison hatte man hingegen einen unglaublichen Lauf.

Genau. Wir waren vom ersten bis zum letzten Spieltag auf Platz eins.

Die erste Niederlage kam an Spieltag 15 in Avellino…

Das letzte Hinrundenspiel, ja.

Im Jahr nach dem Scudetto trat Verona dann auch im Europapokal an. Da gab es dann dieses Ausscheiden gegen Juventus…

Ja das war…- Nun, ich sage mal so: Das erste Spiel ging 0-0 aus, dann haben wir dort in Turin 2-0 verloren. Beim 1-0 gibt‘s Elfmeter, da wird meine Hand angeschossen, so wie heute die Regelauslegung ist, und der gibt Elfmeter.

Der Schiedsrichter, das war der Franzose. Mir fällt der Name gerade nicht ein. Der hat sein bestes Spiel da gepfiffen – also gegen uns. Der war ein sehr guter Freund von Platini. 

Auch einen ganz klaren Elfmeter für uns hat er nicht gegeben. Das Spiel fand damals übrigens ohne Zuschauer statt, wegen der Heysel-Tragödie, Liverpool wurde da ja sogar für fünf Jahre gesperrt. 

Robert Wurtz hieß der Schiedsrichter.

Genau, ein Strasbourger. Wurtz, genau. Das war einer… 

Ja, so war das damals. Das ist blöd gewesen, dass gleich in der zweiten Runde zwei italienische Mannschaften aufeinandertrafen. 

Nach der Saison 1985-86 sind Sie dann zu Sampdoria gewechselt. Was sind denn die merklichen Unterschiede zwischen den beiden Vereinen sowie allgemein zwischen den Städten und deren Einwohnern gewesen? 

Erstmal hat das beim Trainer angefangen. Vujadin Boškov, der war Trainer bei Real Madrid, als wir sie 1982 mit Kaiserslautern 5-0 schlugen. Der wollte mich dann unbedingt haben. Daher bin ich dann zum Abschluss meiner Karriere nach Genua. 

Der Unterschied von Genua zu Verona ist riesengroß. Das ist eine Großstadt mit fast einer Million Einwohner, mit zwei Vereinen – das ist eine ganz andere Welt als Verona. Verona ist da wirklich schon Provinz. Genua ist viel enger, nur Stau: eine Katastrophe vom Verkehr her. Und deswegen war das alles bisschen anders.

Im ersten Jahr waren wir Sechster, im zweiten Jahr Vierter. Wir waren ganz erfolgreich, sind Pokalsieger geworden. Aber das Training war auch anders, Boškov hat eher „deutsch“ trainiert, kurz und intensiv. Das war auch wieder eine Umstellung für mich. 

Aber im ersten Jahr habe ich als linker Verteidiger sechs Tore gemacht. Das ist nicht wenig…

Das ist auf jeden Fall nicht wenig. Aber in Verona hatten Sie in der Meistersaison ja auch neun Treffer erzielt…

Ohne Elfmeter.

In Genua sind Sie in eine Mannschaft mit viel Potenzial gekommen, mit den jungen Mancini und Vialli. Was war der Unterschied zwischen den beiden Vereinen Hellas und Sampdoria? 

Der war gar nicht so groß. Sampdoria war auch kein größerer Verein, die hatten keine große Geschichte, wurden erst 1946 gegründet. Die hatten auch noch nichts gewonnen damals, ich glaube der Pokalsieg war der erste Titel überhaupt. Das war schon alles anders dort. Ich war der erfahrenste Spieler, es war ein großer Kader mit vielen jungen Spielern. Es war eine schwierige Mannschaft, sage ich mal. 

Kommen wir zur Gegenwart. Sie sprechen noch immer sehr gut italienisch…

Naja, ich muss erstmal immer wieder drei Tage da sein, um wirklich italienisch sprechen zu können (lacht). 

Wie sieht denn Ihr heutiger Kontakt zu Stadt und Verein aus?

Jetzt im April fahren wir wieder hin, da gibt es dann ein Treffen mit einem Fanclub. Das organisiert der Verein, da gibt es einen Organisator. Es gibt dann da ein Fest, das ist immer sehr interessant. 

Ansonsten treffen wir Spieler uns immer, wenn ich unten bin. Die meisten wohnen ohnehin noch in Verona und Umgebung.

Herr Briegel, das wirklich Wichtige zum Abschluss – Wein aus der Pfalz oder aus dem Veneto?

Weißwein aus der Pfalz und Rotwein aus dem Veneto (lacht).

Eine sehr diplomatische Antwort! Vielen Dank für Ihre Zeit!  

tifoso del verona

Eine Antwort zu „hellas verona story – #speciale – intervista con Hans-Peter Briegel“

  1. […] Tagen um das Spiel melden, wir könnten uns dann sehr gerne in seinem früheren Wohnort Bardolino (siehe Interview) am Lago di Garda treffen. Bis Donnerstag nach dem Spiel sei er […]