Knappe 12 Monate nach diesem Artikel, der vom „Verkaufen oder Sterben“ handelte, steht Hellas Verona vor ähnlichen Grundvoraussetzungen. Abstiegskampf, Fragezeichen hinter Abgängen – doch in diesem Jahr hat die Weihnachtszeit dann doch eine fast finale Überraschung parat. Ob die Geschenke positiver oder doch eher negativer Natur sind, das wird sich in den kommenden Monaten und Jahren herauskristallisieren. Doch Fakt ist: Nach Jahren der Verkaufsgerüchte, nach Ermittlungen gegen ihn selbst, nach jahrelangen Anfeindungen aus der aktiven Fanszene und letztendlich dem juristischen Freispruch steht die Ära von Maurizio Setti endgültig vor dem Ende. Es fehlt lediglich noch die finale Bestätigung. Hellas Verona wird verkauft.
Ich habe in den letzten Jahren sehr viel über die Person Setti sowie sein Geschäftsgebaren geschrieben und gesprochen – ich glaube fair und transparent, dennoch kritisch und selbstverständlich immer emotional. 🙂
Es ist tatsächlich eine ganze Ära die zu Ende geht. Seit dem ersten Juni des Jahres 2012 fungiert Setti als Präsident des Vereins, unter seine Ägide fallen drei Aufstiege und, viel wichtiger: Die endgültige Etablierung als Serie A-Team, aller Widrigkeiten zum Trotz. Die sechste Saison in Folge ist es zwischenzeitlich in der italienischen Beletage für die Gialloblù – ob eine siebte Saison hinzukommt, das wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Und auch erst dann ist eine finale Bewertung der Setti-Ära möglich. Dazu dementsprechend mehr zu gegebener Zeit.
Status Quo:
Die Verhandlungen mit dem US-amerikanischen Investmentfonds Presidio Investors aus Austin, TX stehen kurz vor dem Abschluss, der Deal gilt als quasi finalisiert. Schätzungen zufolge wird Setti nicht seinen gewünschten Verkaufspreis von € 75 mio erreichen – finanzielle Details werden sicherlich in den kommenden Tagen durchsickern. Und tatsächlich sank dieser Wunschpreis in den letzten Jahren sukzessive, nicht nur Verona-Legende Hans-Peter Briegel erwähnte mir gegenüber noch ganz andere Summen, ebenso setzte die gut informierte Veroneser Lokalpresse damals den Preis wesentlich höher an.
Der Eigentümerwechsel wird personelle Veränderungen mit sich bringen. Zwar sollen Präsident Setti, Sportdirektor Sean Sogliano sowie Generaldirektorin Simona Gioè bis Saisonende bleiben – um so einen reibungslosen Übergang zu gewähren -, allerdings wird der italo-amerikanische Anwalt und Sportmanager Italo Zanzi als neuer Geschäftsführer fungieren. Zanzi ist im italienischen Fußball kein Unbekannter, fungierte vor einigen Jahren bereits als CEO der AS Roma während einer durchaus erfolgreichen Zeit.
Chancen:
Offensichtlich hat Setti in den letzten Monaten final realisiert, dass seine Investments nicht mehr ausreichen werden, um den Verein dauerhaft in der oberen Tabellenhälfte platzieren zu können. Dennoch hat Setti in den vergangenen Jahren infrastrukturell vieles bewegt. Seine lange Amtszeit beruhte auf Pragmatismus und Kompetenz, aufgrund der begrenzten Ressourcen eine ideale Mischung – das, was bleibt, ist eine sehr gesunde Basis, ein gesundes Fundament. Für viele im Vereinsumfeld war die Ära geprägt durch wenig Risiko, wenig Ambitionen – dem werden wir uns am Saisonende nach dem endgültigen Ende der Setti-Ägide nochmals ausführlich widmen. Dennoch bleibt eine hervorragende Jugend-Abteilung, ein neues Jugendzentrum, ein gesunder Verein – alles Errungenschaften durch Settis Pragmatismus. Und für die neuen Investoren äußerst attraktive Voraussetzungen.
Mit den neuen Eigentümern werden frische Ressourcen freigesetzt, sicherlich an dem einen oder anderen Ort auch überzogener Optimismus. Fakt ist: Die finanzielle und langfristige Stabilität ist gesichert, vor wenigen Monaten war das noch eine ganz andere Situation. Auch werden weitere Investitionen in (Infra-) Struktur und den Kader folgen, die Nachwuchsentwicklung wird weiterhin ein wichtiges Gut bleiben. Das bringt ein solcher Fonds als natürlichen Nebeneffekt mit sich.
Ein zentrales Projekt der neuen Eigentümer ist der geplante Neubau des Bentegodi. Seit vielen, vielen Jahren ziehen sich in dieser Causa die Verhandlungen zwischen den Parteien, vielmehr als Entwürfe und Visionen sind dabei nicht wirklich entstanden. Für die weitere Positionierung des Vereins ist der Neubau unabdingbar, insbesondere auch, um so wirtschaftlich stabil und konkurrenzfähig zu bleiben (gesteigerte Attraktivität für Sponsoren, zusätzliche Einnahmen durch Multifunktionalität etc.). Damit einher geht auch eine internationalere Ausrichtung des Vereins, genauso wie die generelle Werterhöhung von Hellas Verona.
Man kann sagen, dass dies alles durchaus logische Schritte sind, die auf ein gesundes Fundament folgen können, sollen und – vielleicht in der Logik sogar – müssen.
Herausforderungen:
Bekanntlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Wir haben es mehrfach beobachten können, insbesondere in Italien, wo US-amerikanische Investoren zwischenzeitlich die Norm sind und dem traditionellen Präsidenten, der mit Herzblut „seinem“ Verein dient, den Rang abgelaufen haben. Marktmechanismen eben.
Der kulturelle Wandel wird definitiv eine der größten Herausforderungen für die Veroneser. Gerade für das Umfeld, ist doch der typische Veroneser bekanntlich nicht unbedingt der Typ Mensch, der sich gerne auf Neues und damit einhergehende Veränderungen einlässt. Entscheidungen, die rein auf finanziellen Aspekten beruhen und die Werte des Vereins despektieren sollten, werden auf wenig Gegenliebe stoßen. Auch Setti kennt diese Prozesse. Allzu oft stand er in der Kritik seitens der Curva Sud – und genau diese neue Beziehung zwischen Fonds und Ultras wird eine sehr spannende sein. Die Hellas Army hat schon vor vielen Wochen ihre Kritik daran kommuniziert, dass man nun endgültig ein Anlageobjekt werde. Klar ist: Die Investoren wollen den Verein irgendwann gewinnbringend veräußern. Zwar bringt dies eine stabile Struktur und sportlich sollte sich der Verein ebenfalls nicht verschlechtern, doch die Problematik für große Teile des Veroneser Publikums liegt auf der Hand. Der sportliche Erfolg wird in diesem Kontext das Zünglein an der Waage sein.
Für Sorgenfalten sorgt im Veroneser Umfeld auch die besondere finanzielle Abhängigkeit vom neuen Investorenteam, insbesondere was die potenziell mögliche Generierung ausschließlich kurzfristiger Gewinnsummen angeht. Bisherige Details deuten allerdings auf ein weitsichtiges Projekt hin.
Und auch der kurzfristig folgende Übergang birgt gewisse Risiken – man muss unter der „Übergangsführung“ um Setti und Sogliano ein adäquates Wintertransferfenster absolvieren, um den Ligaerhalt zu sichern. Die Priorität liegt hierbei auf einem Ersatz für Harroui, gleichzeitig sollen einige Spieler den Verein verlassen, die ohnehin keinerlei Rolle mehr spielen. Der Nichtabstieg ist auf jeden Fall essenziell.
Es wird spannend (und entscheidend) sein, wie gut die neuen Eigentümer die Balance zwischen den Traditionen und Werten des Vereins sowie den (neuen) kommerziellen Interessen halten können. Noch spannender wird diese Tatsache unter dem Gesichtspunkt, dass Hellas Verona die erste Akquisition im Bereich des professionellen Sports von Presidio Investors ist – das Portfolio konzentriert sich ansonsten auf die Bereiche Medien, Technologien, Finanzdienstleistungen und Versicherungen. Eine sehr starre Budgetierung ist daher naheliegend – inklusive aller Vor- und Nachteile.
Kleines Fazit:
Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, in welche Richtung Hellas Verona sportlich und strukturell gehen wird. Setti hinterlässt ein solides Fundament, das durchaus als Nährboden für sportliche Erfolge dienen kann. Dafür müssen allerdings alle mit einbezogen werden – insbesondere das so emotionale Umfeld des Vereins. Denn: Ein Fußballverein ist kein emotionsloses Konstrukt wie eine Finanzdienstleistung oder eine Versicherung. Ist das allen Beteiligten bewusst und auf Basis dessen werden smarte Entscheidungen getroffen, dann könnten wir Hellas Verona noch viele weitere Jahre in der Serie A sehen.